Samstag, 11. Oktober 2008

Reicht alle 2 Tage?

Für einen Samstag war ich heute sehr, sehr früh auf: ein Ehrenamt rief. Genau genommen war ich um 6:04 Uhr auf meiner Runde um die Häuser. Es war noch richtig dunkel, und weil ich mir im Park nicht den Fuß verknacksen wollte, habe ich mich für den Asphalt-Schwenk entschieden.

Gewusst, dass es nicht besonders gut laufen würde, hat auch meine Stoppuhr. Kurz nach dem Ingangsetzen (ebenfalls im Dunkeln) hatte ich sie nochmal gecheckt - und dann gedankenverloren mit einem Klick auf die Stop-, die auch die Start-Taste ist, ausgeschaltet. Denn natürlich kann man um diese Stunde noch nicht von mir erwarten, dass ich mit bedenke, dass die Minutenanzeige natürlich erst "anspringt", wenn die erste Minute gelaufen ist.

Vielleicht war es aber auch einfach besser so, denn so "ok" der Lauf (von rund einer halben Stunde) war, so unwillig hatte ich mich zuvor aus dem Bett gewälzt - und so kaputt fühlte ich mich danach und überhaupt den ganzen Rest des Tages.

Morgen ist hier bei uns Marathon, und statt frohen Mutes das Aussetzen der Nachmeldegebühr für einen spontanen langen Lauf nutzen zu können, plane ich einen Vormittag im Bett (oder bestenfalls lesend im Sessel). Wenn es nur der Marathon wäre, auf den ich keine Lust habe, ich könnte mich damit abfinden. Aber nachdem ich gestern (am Freitag) bereits nicht gelaufen bin und überhaupt kein Verlangen spüre, morgen früh die Natur oder meine Stadt laufend zu begrüßen, wird's langsam eng.

Kann es sein, dass eine begeisterte Läuferin wie ich sich nur noch alle 2 Tage auf die Strecke wagt? Meiner Seele tut's jedenfalls nicht gut. Und mein Körper? - Redet nicht mit mir...

Mittwoch, 8. Oktober 2008

Unter anderen Vorzeichen

Es ist mir schwer gefallen, aus dem Bett aufzustehen und noch schwerer zu laufen. Dabei ist ein schöner Herbsttag heute. Es ist noch nicht (oder nicht mehr) zu kalt, und die Sonne leuchtet mild durch das Blätterdach, das sich vor dem Fall auf den Boden noch einmal in den schönsten Farben schmückt.

Doch meinem Körper scheint so gar nicht nach Genuss zu sein, hinten an den Oberschenkeln zieht's so erbärmlich, dass ich es nicht aushalte, mich zu dehnen. Und auch jeden einzelnen Schritt muss ich ganz bewusst machen, nichts "fließt" oder läuft wie von selbst.

Folglich werde ich in den nächsten Tagen und Wochen wohl bei einer sehr konservativen Trainingsgestaltung bleiben: Morgens zwischen 7 und 10 Kilometer und gaanz langsam, wobei: auch das muss ich meinem Körper im Moment nicht extra sagen. Wir haben ein wenig den Draht zueinander verloren.

So laufe ich jetzt unter anderen Vorzeichen; ohne unmittelbaren Spaß, aber in dem Bewusstsein, dass die Freude und Lust wiederkommen werden. Es ist Herbst...

Dienstag, 7. Oktober 2008

Langes Wochenende in Nürnberg


...und das ganz ohne Sport. Was kann jemand, der sonst scheinbar an nichts anderes denkt, davon schon zu berichten wissen?

DENKEN könnt ihr euch sicher, dass die "Sportfreiheit" nicht ganz selbst gewählt war. Vielmehr war sie der Vernunft geschuldet, denn so ganz erholt von meinem Infekt hatte ich mich bis dahin nicht, und hinzu kamen noch lange Nächte, die die Schlafphasen auf eine um so kürzere Dauer von 3-4 Stunden schrumpfen ließen.

ZWECK meines Aufenthalts war die Teilnahme an einer Art "Jugendfreizeit für Große". Im Rahmen eines Symposiums wurde über alles, aber auch wirklich alles rund um das Thema "Zeit" gesprochen. Persönliches Zeitmanagement kam ebenso zur Sprache wie - man höre und staune - die Entwicklung der Marathonzeiten über die Lebensspanne. Dies allerdings nur als Illustration für die "Vielgestaltigkeit des Alterns", das also in dieser Eigenschaft Leistungen quasi über das gesamte Spektrum des menschlich Möglichen (vielleicht abgesehen vom Weltrekord) hervorbringt. Nicht verraten wollte der Referent uns allerdings "das wahre Gesicht des Alterns" - vorgeblich aus Rücksichtnahme vor unserer Jugend und der "Fratzen", denen wir dabei begegnen würde. Verschweigen, ok, aber es auf diese Neugier weckende Art zu tun, fand ich gemein ;-(

UNTERGEBRACHT waren wir übrigens in der Jugendherberge, die sich unmittelbar in der berühmten Burg (in deren Zeichen "Sicherheit" angepriesen wird) befindet. Falls ihr mal günstig in Nürnberg übernachten müsst, die JH ist von der Qualität und Sauberkeit her unbedingt zu empfehlen. Ob sie preislich konkurrenzfähig ist mit den gerade im Süddeutschen verbreiteten Klein-Pensionen, hatte ich leider keine Zeit festzustellen.

Die Jugendherberge - untergebracht in der Burg:


ALS STADT ist Nürnberg auch unbedingt sehenswert. Zwar werden die Straßenzüge des Öfteren gebrochen von un-gelungenen Rekonstruktionen der bloßen Rumpfform aus den 1960ern. Doch tut dies für den geübten Blick der Schönheit des Gesamt-Ensembles keinen Abbruch, wo sich mittelalterliches Fachwerk an die Pracht von Renaissancegiebeln schmiegt und der Duft von Würstchen und Zwiebelkuchen aus inzwischen weit ins Kopfsteinpflaster eingesackten Hauseingängen wabert. Dazwischen stolze Kirchen und die augenscheinliche Fülle eines unter freiem Himmel statt findenden Dauermarktes, dessen Stände mit Heimisch-Deftigem und Orientalisch-Exotischem etwas erahnen lassen von der Abwechslung, die es (zumindest für Betuchte) ganz ohne künstliche Aromen und industrielle Fertigung bereits im Mittelalter gab.















FEDERWEIßEN habe ich natürlich auch gekostet in einem ausgesprochen gemütlichen Café, doch war dies dieses Mal nicht der Grund, weshalb ich nicht zum Laufen kam. Jedenfalls war das Wochenende die Reise wert - und ich gelobe Wiederkunft und das Mitbringen von etwas mehr Zeit für die ortseigenen Schönheiten!




Mittwoch, 1. Oktober 2008

Beobachtungen beim Bahnfahren

Heute bin ich (noch aus Schonungsgründen) wieder nicht gelaufen. Dafür hatte ich einen "Auswärtstermin" und auf dem Weg dorthin mal wieder knapp 3 Stunden Gelegenheit, das Leben "in vollen Zügen" zu genießen.

Heute war die Reise insgesamt sehr angenehm, keine wirklich nervigen Mitfahrenden und auch die Waggons nicht so voll, dass allein das Einsteigemanöver Chancen hätte, beim "Wetten dass?" ins Programm aufgenommen zu werden. Dennoch plädiere ich für einen Ehrenplatz der Bahn als Förderin des Sports.

An keinem Ort werden wohl so viele Muskeln und Fähigkeiten gleichzeitig trainiert, noch ergänzt um eine Ausdauerkomponente wie Laufen müssten Bahnfahrer eigentlich olypiareif werden können. Der Mehrkampf beginnt mit der Disziplin "Ganzkörpergewichtheben von Gepäckstücken" (beim Einsteigen) und endet mit "Dehnen der äußeren Schienbeinmuskulatur" (das man nicht vermeiden kann, wenn man bei dem engen Sitzabstand mal anders als mit Beinen runter sitzen will).

Dazwischen gibt es noch das "Unmittelbar disziplinspezifische Anreizprogramm": Zu beobachten heute zwischen zwei Haltestellen und einem kurzen Gang aufs Örtchen meinerseits. Eine ältere, etwas beleibte Dame hatte es knapp zwei Stunden geschafft, den Sitz neben sich mit einer platzgreifend geparkten Handtasche frei zu halten. Als sie den Platz einmal kurz verließ, wies sie ihre gegenüber sitzende Freundin an, diese verantwortungsvolle Aufgabe zu übernehmen. Ein Fehler, denn schließlich sehen zwei Sitze mit einer Handtasche darauf subjektiv viel leerer aus als ein Sitz mit einer ausgebreiteten Handtasche neben einer korpulenten Frau. Folglich konnte die Freundin einen ebenso korpulenten Mann nicht davon abhalten, sich auf den ursprünglich der Tasche vorbehalteten Platz zu setzen. Die zweite Frau kehrt zum Platz zurück, kurzes, fast unmerkliches Entgleiten der Gesichtszüge, doch natürlich sagt sie nicht, was ihr auf der Zunge liegt (was liegt ihr eigentlich auf der Zunge), sondern bittet den Mann nur, sie kurz auf ihren Platz durchzulassen.

War auch dieses Prozedere schon nicht "gesagt - getan" (man stelle sich den in Zügenüblichen Abstand zwischen Sitz und Tisch vor und eine Dame, deren Umfang diesen vorwärts, rückwärts und seitwärts übersteigt), wurde es danach erst richtig komisch: Herr: "Räusper." (bewegt sich ein wenig, so dass sein halber Oberschenkel über ihrem zum liegen kommt.
Dame: "Laut räusper." (selbe Bewegung mit umgekehrten Rollen)
Herr: (sitz abtast.) Wahrscheinlich suchte er so einen Mechanismus wie in Reisebussen, mit denen man die Reihen seitlich auseinander ziehen kann. (plötzlicher Ruck, ab in die Liegeposition. Mit Mühe wieder aufgesetzt.
Dame: "Noch lauter räusper."
Herr: (bewegt Gesäß und Oberschenek ruckartig auf der Sitzfläche Richtung außen).
Dame: (Versteckt sich hinter Bahn-Kundenzeitschrift)
...
Das Ganze kam dann am nächsten Halt zum Ende, als er sich einen anderen Sitzplatz neben einem schlankeren Menschen suchte. Ob die Message angekommen ist?

Hinzu kommt dann noch eine Übung, die selbst mir als gestandener Sportlerin immer wieder Probleme bereitet: "Linksseitiges isotonisches Training der Halte- und tiefen, schrägen Bauchmuskulatur". Alle Frauen können die Übung nachvollziehen, indem sie eine Bahntoilette aufsuchen. Wer sich aus hygienischen Gründen dann mit einigem Abstand zur Brille hocken möchte, findet als Halt nur eine Stange, die sich in horizontaler Richtung unmittelbar auf Höhe der Knie befindet. Nun muss der Körper an diesem Sportgerät so ausbalanciert werden, dass er weder nach hinten überkippt noch seitlich zu viel Spiel hat. Ganz Geübte können durch eine entsprechende Stellung der Füße noch versuchen, ihre Stoffhose unterdessen vor einem Wischen des überschwemmten Bodens zu bewahren. Und bevor mir jemand einen Vorwurf bezüglich meiner Toiletten-Benutzungstechnik macht: Zumindest das Problem, dass die Haltestange zum Wiederaufrichten nicht richtig angebracht ist, dürfte man auch bei "korrekter Handlungsausführung" haben. In einer Welt, in der vom Handy bis zur Mülltüte alles auf Idiotensicherheit getestet wird, bleibt da eigentlich nur die Frage, weshaln Zugklos von dieser segensreichen Entwicklung bisher ausgeschlossen geblieben sind.

Vielleicht will die Bahn ja schon lange die Sportlichkeit ihrer Fahrgäste fördern und traut sich damit nur nicht an die Öffentlichkeit? Sportclubs sind ja an der Börse derzeit auch nicht so gefragt ;-)

Dienstag, 30. September 2008

Ruhelos

...bin ich gerade gestreift
...durch die Straßen meiner Stadt.

Es regnete nicht mehr
...war dunkel
...kreuz und quer an meiner Laufstrecke.

Frische Luft und Bewegung
...tun gut
...auch wenn ich mal nicht laufe.

Ja, so steht es um mich nach 2 Tagen krankheits- bzw. genesungsbedingten Nicht-Laufens. Ich saß am Schreibtisch, hatte Hunger, aß, fühlte mich unwohl, wälzte mich auf dem Stuhl. Alle Versuche, mich abzulenken? - erfolglos.
Also bin ich doch hinaus gegangen. Nicht gelaufen, aber doch eine nach der anderen Runde um die Häuser, quer und kreuz und wie eine "Acht".
Ist es nicht schlimm: Ich bin süchtig - nach Bewegung.
Wird es nicht schön sein - wenn ich wieder laufen geh'...

Montag, 29. September 2008

Lest ihr eigentlich...

...Laufzeitschriften?

Heute hatte ich beim Mittagessen mal die Muße, in einer auf der Marathon-Messe mitgenommene Ausgabe der Runner's World hineinzuschnuppern. Mehr als das tue ich eigentlich nie, das dafür aber regelmäßig auf Bahnhöfen, wenn's beim Stadtbummel eben mal der Zufall will oder das Ding bei irgendwem rumliegt.

Gekauft aber habe ich mir in meinem Leben vielleicht 2-3 Ausgaben vermutlich verschiedener Laufzeitschriften. Der Grund: Dort wird viel alter Wein in neuen Schläuchen verkauft. Rezept: Man nehme eine Überschrift mit Appellcharakter, mische sie mit einer rhetorischen Frage und einer Expertenmeinung aus einer neuen (aber völlig unbedeutenden oder an den Haaren herbeigezogenen) Studie und fertig ist der Lauf-Artikel.

Beispiel Ernährung: "Essen Sie genug Eiweiß?" wird da gefragt. Die sich-erwischt-fühlende Antwort ist natürlich erstmal "bin mir nicht sicher", und da man im nächsten Schritt aufgrund "neuester Erkenntnisse" seines Neins immer sicherer wird, landet das Magazin mit dem angelesenen Beitrag im Einkaufswagen. Ein ganzer Artikel wird aus der Story jedoch erst durch reichlich viele Tricks: ein paar ältere (und noch mehr an den Haaren herbeigezogene) Studien hier, ein reich bebilderter Ernährungplan für den wirklich richtig ultimativen Kick dort. Macht also zweieinhalb Seiten für eine Kerninformation von vielleicht einer halben...

Und dann werd' ich ja das Gefühl nicht los, dass sich die Magazine ihre Leserbriefe selbst schreiben. Oder wieso gibt es in den Ratgeber-Rubriken alle 3-4 Monate dieselben Fragen nach "Laufen und Gewichtsabnahme", "Laufen und Achillessehne" oder "Laufen während der Tage"?

Schließlich die Trainingspläne: Ab 3:30 abwärts gab's bis vor Kurzem gar nichts (jetzt bei RW im Internet bis 2:59). Spricht auch nicht grad dafür, dass die Leserschaft wirklich solch jung-dynamische (und fitte) Jungspunde sind, wie sie sich meist auf dem Titel finden.

Die Krönung sind aber Rezepte und Ernährungsempfehlungen, die niemals in einen normalen Arbeitstag, geschweige denn in eine kleine Küche oder ein bescheidenes Bu´dget passen: 2 Blättchen Rucola hier, eine halbe Schale Feldsalat dort, Walnussöl, Knäckbrot mit Quinoa und was dergleichen Exotik mehr ist.

Meine Meinung: Nichts als Geldschneiderei! Laufen ist ein einfacher Sport, und meine Bilanz vor Trainingsbeginn lautete:

- ein halber (gelangweilter) Blick in die Runner's World
- keinerlei "Seminare"
- keine "Tipps" aus speziellen Laufgeschäften
- Baumwollshirts und Trainingshose
- Laufschuhe aus der Zeit, als man mit NikeAir in der Schule cool war
- keine Ahnung von Bestzeiten und Schallgrenzen
- und trotzdem mit Spaß und Erfolg dabei!

Wunder gibt es immer wieder...

Berlin: Wie's war

Ein anstrengendes Wochenende habe ich bereits hinter mir, denn wie bei so einer Großveranstaltung unvermeidlich, musste die Startnummer für den 35. Berlin-Marathon spätestens am Vortag abgeholt sein. Eine Nacht in fremder Wohnung auf der Luftmatratze schloss sich an, und wie immer hatte ich unruhig geschlafen aus Angst, den Wecker nicht zu hören. (Bei Ultraveranstaltungen mit gemeinsamer Übernachtung entfällt diese Angst, so dass ich dort viel ausgeruhter an den Start gehe.)

Es wimmelt nur so von Läufern:



Doch das alles ist vergessen als wir unter dem strahlend blauen Himmel auf der Straße des 17. Juni stehen. Wir, das sind (gemeldet) über 40.000 Lauf-Verrückte aus aller Herren Länder, aufgereiht, um gleich auf die Strecke durch Berlin geschickt zu werden. Kurz hinter mir, die ich mich ungewohntermaßen in Block F (zwischen 3:35 und 4:00 Stunden) eingereiht habe, macht eine Fitnessstudio-Animateurin mit dem üblichen festgefroreren Lächeln Verrenkungsbewegungen vor. Wie so oft frage ich mich, was daran Sport ist, und von den umstehenden Marathonis macht außer beim Wedeln mit den Armen kaum eine(r) mit.

Dann werden die Berühmtheiten begrüßt, allen voran Haile Gebrselassie, der Vorjahressieger, der in nur etwas mehr als 2 Stunden seinen eigenen Weltrekord eingestellt haben wird. Ein Raunen geht durch die Masse, als sein Name genannt wird. Wo sonst hat ein Freizeitsportler die Chance, gegen einen Weltrekordler anzutreten? Wobei wir später beim Philosophieren auf der Strecke zu dem Ergebnis kommen werden, dass diese Chance rein theoretischer Natur ist.

Wir, das sind ich und Norbert, den ich gleich nach meiner Ankunft im Startblock kennen lerne und der sich für seinen ersten Marathon vorgenommen hat, die 4-Stunden-Marke zu knacken. "Das trifft sich ja gut, ich will aus Krankheitsgründen heute etwas kürzer treten!" und so laufen wir zusammen.

Als wir im Meer der Läufer in einer eleganten Links-Rechts-Kurve die Siegessäule umschlängeln, wird mir zum ersten Mal klar, was ich da tue. Ich habe den Eindruck, unglaublich langsam angetrabt zu sein, doch Norberts Uhr ("5:30 pro Kilometer") belehrt mich bald eines Besseren. Auch hatte ich gedacht, dass mich das viele Slalom-Laufen um die Teilnehmer, die sich mit der Startblock-Wahl doch etwas übernommen haben, nerven würde, aber kein Gedanke daran. Stattdessen lasse ich mich treiben, unterhalte mich über dies und das und genieße die vielen Zuschauer.

Dann lerne ich am ersten Erfrischungspunkt beinahe eine schmerzhafte Lektion: Wer hier nicht schnell, gewandt und mit Überblick agiert, läuft am Wesentlichen vorbei und muss dann weitere 5 Kilometer darben. Das wäre auf meinen nüchternen Magen gar nicht gut gekommen. Auf Höhe der bekannten Haftanstalt Moabit laufen wir erstmals neben dem überfüllten Straßen-Korridor. "Noch weiter nach links möchte ich jetzt aber nicht", sage ich mit einem Blick auf das verriegelte Gebäude, und so traben wir weiter.

Bald kommt der Reichstag wieder in Sicht, und auf der Brücke zwischen Hauptbahnhof und Kanzleramt zeigt sich erstmals das "Fest der Nationen": eine russische Fahne wird am langen Griff geschwenkt, daneben feuern die allgegenwärtigen Dänen klappernd, rufend und Fähnchen wedelnd die zahlreich laufenden Landsleute an.

Doch das Beste kommt noch. In Richtung Friedrichshain gibt es erstmals Musikgruppen - vom einsamen Jazzpianisten in der Morgenkühle bis zu unzähligen Samba-Bands wird an der Strecke alles dabei sein. Bei Kilometer 10 dann wieder nur Wasser - für mich, die ich eben das richtige "Timing", wann ich mich dem Rand zu nähern habe und wo ich genau das finde, was ich benötige (in diesem Fall gesüßten, warmen Tee), noch nicht beherrsche.

Norbert ist unterdessen guter Dinge, wir laufen zwischen 5:20 und 5:30 im Schnitt und ich verspreche, dass wir den Halbmarathon sicher unter 2 Stunden ansteuern. Doch bis dahin laufen wir noch auf baumgesäumten Straßen locker zwischen gut gelaunten Menschenmassen hindurch. Kaum ist die Musik von einer "Station" hinter uns versiegt, tönt bereits die nächste ans Ohr - hier ein persischer Sänger, da Drehorgeln: "sei Tradition - sei multikulti - sei Berlin" könnte ich im Stil der derzeitigen Werbekampagne sagen.

Bei 20,9 Kilometern dann "Timecheck": wir haben 1:58 auf der Uhr und ich erzähle Norbert, dass entgegen allen Gerüchten beim Marathon die zweite Hälfte kürzer sei als die erste. Schließlich müssen wir nur noch nach Hause... Na gut, bin vielleicht nicht die geborene Motivationstrainerin, aber für mich stimmt's in diesem Moment (was ja vielleicht auch daran liegen kann, dass ich ganz andere Distanzen und Tempi gewohnt bin).

Die Straßen sind jetzt zunächst noch einmal richtig eng. Wir haben eine Technik entwickelt, bei der nur einer "links vorbei" oder "durch die Mitte" zu rufen braucht, und schon schlängeln wir uns an den Mitlaufenden vorbei in einen halbwegs freien Raum. Kilometer 25: Verpflegungspunkt und dann Gänsehaut pur. Unter einer eisernen Brücke sind wir ganz eingerahmt von Publikum, und dann dieser Rhythmus: "Bum, bum, bum", immer schneller geht das, kaum einer der Läufer kann die Hände in der gewohnten Form vor dem Körper führen, wir alle klatschen und laufen nach diesem "Bum, Bum", um uns herum das Gefühl, dass die Brücke vibriert. Ich weiß nicht, ob sie's tatsächlich tut, aber am Ende dieser Passage sehen wir, wer für diese wunderbaren "Vibrations" verantwortlich zeichnet: die Gruppe "Trommeln in Berlin" mit ihren (Öl-?)Fässern, im Übrigen eine Ausdruckform, die auch in anderen Städten zunehmend Anhänger findet. (Aber bitte zu gegebenem Anlass!)

Dann der südlichste Punkt der Strecke: Steglitz, Zehlendorf, wunderbare Alleen vor großzügigen Wohnhäusern, alles gesäumt von einem ebenso interessierten wie enthusiastischen Publikum. Das hier ist kein Lauf, es ist ein Volksfest, und wenn ich Norbert nicht hätte, alles würde mit mir durchgehen und ich liefe die nächsten Kilometer ind 5:00. (Danke, Norbert, dass du mich vor dem eigenen Übermut bewahrt hast). So passieren wir Kilometer 30 nach 2:45 Stunden, und Angelika aus Nürnberg, die sich uns zwischenzeitlich angeschlossen hat, meint, sie müsse jetzt "nur noch die 12 in einer Stunde laufen, um unter 4 ins Ziel zu kommen". Rein rechnerisch hat sie natürlich recht, doch während ich für mich persönlich mit dem Gedanken gespielt hätte, mute ich "meinen" Marathon-Neulingen so etwas nicht zu.

Stattdessen fasele ich etwas von: "Wer's bis hierher geschafft hat, kommt auch locker ins Ziel!" Scheinbar bin ich dabei sehr glaubwürdig, denn zumindest Norbert bleibt tapfer an mir dran. Erst später wird er mir gestehen, dass ab Kilometer 34 gar nichts mehr ging bei ihm, aber wie sagt man so schön: "Pain is temporary, pride is forever!"

Tatsächlich habe ich selbst auch einen kleinen Einbruch, als es auf die (von mir immer) ersehnten 32 zugeht. Angelika trifft hier ihre Anfeuer-Freunde aus Nürnberg und ist happy, bekommt dann aber Seitenstiche und muss am Erfrischungspunkt kurz vor der 33 dann länger stehen bleiben, so dass wir sie aus den Augen verlieren.

Der Ku'damm kündigt sich mit Radio-Moderation aus überall verteilten Lautsprechern an. Dazwischen Techno-Samba-Mix und unglaublich viele Menschen. Ich selbst finde es etwas seltsam, dort zu laufen, wo ich sonst shoppen und vielleicht mal zu Mäckes (ja, auch das kommt vor!) gehe. Ich spüre, dass etwas bei Norbert nicht mehr richtig stimmt, unsere Unterhaltung ist monoton geworden beziehungsweise quasi verebbt. Mir selbst wird auch klar, was wir eigentlich gerade zu leisten im Begriff sind, doch fühlt es sich ganz anders an, als wenn man draußen in Wald und Flur allein ist und mit sich selbst, dem Atem und dem nächsten Schritt kämpft. Seltsamerweise wundere ich mich (trotzdem), weshalb einige Leute um mich herum gehen. Schließlich sind es "nur noch 7", davon 2 im Angesicht des Brandenburger Tors, das kann doch nicht so schwer sein, oder?

Dann sind wir an der Gedächtniskirche vorbei. Irgendjemand hatte mir mal erzählt, dass zwischen 38 und 40 in Berlin kaum Zuschauer stehen, doch im Gegenteil drängen diese sich zwischen den erst modernen und dann klassischen Häuserschluchten der Potsdamer Straße so nah an die Läufer, dass der Fluss immer wieder stoppt wie ein Gebirgsbach in einer Klamm - aus dem sich dann auch die, die's noch können, mit einem Spurt befreien.

Kurz hinter der immer noch offeneren Fläche des Potsdamer Platzes dann ein bekannter Haarschopf voraus: Hans-Martin vom Lauftreff wundert sich, dass ich erst jetzt zu ihm Auflaufe. Auf meine kurze Krankheits-Geschichte erwidert er nur "ich auch". Er wird zwar die 4 Stunden heute nicht knacken, dafür werde ich ihn aber wohlbehalten und glücklich auf der Wiese vor dem Reichtag wiedertreffen.

Noch zweieinhalb Kilometer. Für den jetzt doch arg mitgenommen wirkenden Norbert Zeit, meine Brötchenhol-Suggestion auszupacken. Das mache ich immer bei Läufern, die auf den letzten Metern wirklich oder vermeintlich Probleme bekommen: Ihnen von einem kühlen Samstagmorgen erzählen, an dem sie mit ausgeruhten Beinen in den Nachbarort zum Brötchenholen traben. Bei Norbert wirkt es nur noch mittelmäßig. Ich habe den Eindruck, ihn zu nerven und laufe deshalb einige Meter vor ihm her. Dafür ist ein anderer jüngerer Mann beeindruckt: "Dass du hier noch die Puste hast, das alles zu erzählen!" Wissens lächelnd trabe ich meines Weges.

Das sind sie also, die magischen letzten 2. Wir lassen den wunderbaren Gendarmenmarkt mit seinen neoklassizistischen Gebäuden hinter und haben bald zum Prachtboulevard "unter den Linden" unter den Füßen. Die Menschenmenge ist überwältigend. Noch ist die Straße breit, wir passieren den 41. Kilometer und ich lasse mich mitnehmen vom Strom der Tausenden, die ich jetzt vor und neben mir laufen sehe. Es ist alles so einfach. Kein Kampf, keine Selbstmotivation nötig. Und ich spüre die Schritte, die ich vorhin in einer un-bemusikten Minute einmal wahrgenommen habe: klapp, klapp, klapp, klapp, tausende Schritte auf dem Asphalt.

Dann stehen da noch 2 von diesen aufblasbaren Bögen vor uns. Der erste signalisiert "noch 1 Kilometer", der zweite ist, soviel ich entdecken kann, nur Werbung, doch wen interessiert was darauf steht bei seinem Anblick: das lang ersehnte Brandenburger Tor.

Kann ich noch? Ich kann noch. Also trabe ich an. Rechts und links Menschenmassen, im Hintergrund der Steinkoloss der französischen Botschaft am Pariser Platz - und dann bin ich irgendwie hindurch - habe den magischen Moment gar nicht richtig wahrgenommen.

Weit, weit vor mir das Schild "Kilometer 42" und dann peile ich sie an, die Mitte, über der nicht "Ziel" steht wie über den Durchgängen rechts und links, sonder "real" wie der Hauptsponsor. In dem Moment finde ich es cool, dass selbst für uns Langsamtreter noch so viele Leute auf der Tribüne sind, und Norbert spurtet - was ich einem Fortgeschrittenen übel genommen hätte - auf den letzten 5 Metern an mir vorbei. Später wird er mir sagen, dass er einfach unter 3:58 bleiben wollte. Sei's drum. Haben wir geschafft.

Mir geht's gut, ihm weniger, und so holen wir uns Medaille und Warmhalte-Plane ab, die ein bisschen aussieht wie ein cäsarischer Umhang und die für kleinere Leute wie mich viel zu lang ist, so dass mir im Gewühl dauernd andere auf die unvermeidliche Schleppe treten.

Im Tiergarten dann schnell eins der dürftigen Lunchpakete (Schokobrötchen, 2 Mini-Kekse, Banane, aromatisiertes Wasser, was ist daran Läufer-gerecht) gegriffen und nach einigem Überlegen dann doch hingesetzt. Norbert ist happy und total kaputt, wobei er nach eigenem Bekunden noch auf das Runner's High wartet. Ich bin etwas kaputt und habe überhaupt keine Erinnerung an die vergangenen 4 Stunden. Es war sicherlich ein Erlebnis - ein Lauf aber war es in meinen Augen nicht.

Schließlich ins Duschzelt - es gibt tatsächlich heißes Wasser und ich fnde es fanzinierend, mich auf dem nackten Straßenasphalt im Schutze des Zeltes von oben berieseln zu lassen. Bei dem tollen Wetter habe ich eigentlich einfach nur Lust, den Moment noch etwas zu genießen. Das sagen sich wohl auch fast alle anderen Läufer, die die Wiese vor dem Reichtag inzwischen in eine Kolonie au gelben Warmhalte-Planen verwandelt haben. Allerdings denke ich auch an die Umwelt, den Rasen und die Bäume im Tierpark, die von Läufer-Pipi sicherlich nicht weniger eingehen als von dem der Loveparade-Besucher ;-)

Auch den Reichtag und die Wiese davor haben Läufer eingenommen:


Na gut, für solches Philosophieren ist jetzt keine Zeit, schließlich will ich mich noch mit Jassi von "Potato to runner" treffen, die es auch schließlich schafft, mich vor der "verrosteten Skulptur am Kanzleramts-Garten" aufzulesen. Gemeinsam gehen wir etwas trinken mit Blick auf die Spree und ich finde es toll, mal wieder jemanden aus dem Internet live kennen gelernt zu haben. Insofern freue ich mich auch auf das Blogger-zu-Joggern-Treffen, das es vielleicht nächstes Jahr geben wird.

Andenken vom "Kleinen Bloggerinnen-Treffen":



Unterdessen werde ich jetzt erstmal richtig gesund, plane aber schon die nächsten Marathons und werde mich demnächst vielleicht nochmal zur Frage "Event vs. Laufen" äußern.