Samstag, 29. November 2008

Das Wetter zur Laune

Zum Laufen habe ich schon seit einigen Tagen keine richtige Lust - und hatte folglich auch gestern und vorgestern ausgesetzt. Zu zahlreich die anderen Verpflichtungen, zu stark der Drang, mehr Zeit unter Menschen zu verbringen statt stapfend durch die zu meinen Laufzeiten meist dunkle Welt.

Ein Blick aus meinem Fenster auf die direkt davorliegende Dachgaube lässt Schnee vermuten. Aber es schneeregnet von einem mattgrauen Himmel, die Kälte lässt unangenehme Durchdringlichkeit vermuten, doch nun habe ich meine Laufsachen schon einmal an und gehe vor die Tür. Ein paar kurze Runden durch den Park, das muss reichen. Die Bäume haben ihr Laub noch nicht ganz verloren, leuchtend-beuge-braun hängen die Blätter als nasse Masse von den Zweigen herunter, unter meinen Füßen bei jedem Schritt das "Plitsch-Platsch" angetauten Schnees, aus dem mir das Wasser bis über die Knie springt.

Allerdings: das Laufen selbst fällt gar nicht schwer. Obwohl ich mir vorgestern beim Versuch, unter einem Tisch die Beine zu überschlagen, das Knie angehauen habe gleite ich nicht nur schmerz- sondern auch mühelos durch die desinteressierte Landschaft. Vor dem kleinen See laufe ich einmal an einem Trupp des THW vorbei, die sich irgendwie die Stelle ansehen und den Worten ihren Anführers gelangsweilt rauchend zuhören. Nicht einmal der Duft des Weihnachtsmarkts, der in den vergangenen Tagen trockener Kälte die Stadt durchwabert und die Diskussionen über das immer früher hereinbrechende Konsum-Weihnachten angestachelt hatte, ist heute zu vernehmen.

Noch ein wenig "Plitsch-Platsch", dann bin ich zuhause, schließe die Tür auf mit klammen Händen und ziehe mir die klebende Laufhose von den Beinen, den Kribbeln, als sie aus dem eisigen Korsett befreit werden. Nach der Dusche kann er jetzt kommen: der Advent, den wir gleich mit einem Ausflug zum Weihnachtsmarkt nach Goslar einleiten werden!

Mittwoch, 26. November 2008

Falscher Film

"Als ich nichts mehr zu geben hatte, ließen sie mich einfach liegen und die Karawane stieg über mich hinweg."

Es war einmal eine Zeit, in der lebten die Menschen glücklich und zufrieden. Jeder hatte ein Auskommen, eine warme Wohnung, genug zu essen, konnte sich dann und wann ein wenig Luxus leisten und - was am wichtigsten war - fühlte sich geborgen und verstanden in einem Kreis von Menschen, die genau so glücklich lebten.

Die Menschen zu jener Zeit waren so glücklich, dass sie Reisenden, die zufällig zu jener Zeit durch jenen Landstrich kamen ohne Umschweife alle Annehmlichkeiten ihres Lebens präsentierten. "Schau nur, wie komfortabel unsere Wohnungen sind. Wenn du möchtest, magst du gern einige Nächte bei mir zu Gast sein!" "Merke dir nur gut, unsere Küche mundet. Wenn du die Muße hast, lade ich dich gern ein, davon zu kosten!" und natürlich auch "Du kannst dir kaum vorstellen, wie bequem unser Leben ist. Genieße es in vollen Zügen, so lange du bei uns weilst!"

Selbstverständlich konnte kaum ein Gast den Verlockungen widerstehen, und wenn das Land einen offensichtlichen Nachteil hatte, dann den, dass die Grenzkontrollen bei der Ausreise viel strenger waren als bei der Einreise. So kam es, dass viele der Gäste sich auf Dauer in dem Land niederließen. Doch in dem Maße wie die Zeit verging, verloren auch die Annehmlichkeiten ihren Zauber: Nicht nur, dass man sie nun nicht mehr einfach so genießen konnte; vor dem Erfolg stand die Arbeit. Doch auch zu dieser gab es nicht ohne weiteres Zugang, dazu brauchte man die Zugehörigkeit zu einer glücklichen Gemeinschaft - was, so der Eindruck der meisten Nicht-Ausgereisten, auch umgekehrt der Fall war: ohne Arbeit keine glückselige Zugehörigkeit.

Natürlich glaubten die neuer Angekommenen zuerst nicht, was ihnen widerfuhr: einige stürzten sich mit besonderem Eifer an die Arbeit, andere spielten Zugehörigkeit, kehrten dann zurück in ihre traurigen Bleiben und wussten, dass dies nichts anderes war als Theater, das sie für sich selbst spielten. So entstand eine Gruppe von Menschen, die wuchs und wuchs und wuchs und außen vor war. Doch nicht einfach ausgesperrt. Sondern im unmittelbaren Angesicht dessen, wonach sie sich sehnten. Unter dem Eindruck der Ideologie, dass sie dazugehören könnten. Nicht auf der anderen Seite eines Zauns, sondern im falschen Film.

Sie unterscheiden sich in nichts von uns. Und wenn sie unter uns sind, können wir sie nicht erkennen. Täten wir das, so sähen wir ihren Film, und wären ab dann...alle im richtigen!

Samstag, 22. November 2008

Kongress unter sportlichen Vorzeichen

Hallo, da bin ich wieder. Die letzten drei Tage habe ich auf dem Deutschen Sportökonomie Kongress in Köln verbracht, dort einige interessante Vorträge gehört und neue Leute kennen gelernt, in den Pausen zu viel gegessen und vor allem zu wenig Sport getrieben.

Heißt konkret, auf mehr als 20 (Do) + 30 (Fr) Minuten habe ich es über diese Tage nicht geschafft. Dennoch denke ich, dass ich mir eine Art Tapferkeitsmedaille verdient habe. Schleßlich habe ich unter rund 400 angeblich hyper-sportlichen Kongressteilnehmern von niemandem erfahren, der während der Veranstaltung überhaupt Sport getrieben hat. Und gestern habe ich mich sogar in der stärksten Phase eines Regengusses aufgemacht in Richtung Kölner Stadtwald.

Der Höhepunkt der Woche war allerdings das Treffen mit Cécile, das ich angesichts der Destination kurzfristig anzubahnen versucht hatte - und das sich dann tatsächlich auch ergab. Nach einigem Suchen vor dem Hauptgebäude der Deutschen Sporthochschule bemerkten wir endlich, dass wir es waren, die sich da gegenseitig anriefen, und machten uns unter dem ersten Eindruck des Wintereinbruchs (Kälte, Regen, Sturm) auf den Weg in die Stadt. Hätte ich geahnt, dass man in Köln so deftig und trotzdem schick essen kann, ich hätte wahrscheinlich auf den Mensa-Besuch verzichtet. So saßen wir gemeinsam im Salon Schmitz und hatten ein wirklich gute Zeit ohne ausgehende Gesprächsthemen oder peinliche Stille - eine offene Stimmung, die mir bei Läuferinnen und Läufern schon öfter aufgefallen ist.

Die heiße Schokoloade im großen Bol schmeckte vorzüglich, was natürlich auch an der durchgenässten Hose auf den ausgekühlten Oberschenkeln gelegen haben kann. Und nachdem sie ihr Lunch verzehrt hatte, kam Cécile doch tatsächlich noch auf die Idee, meine ernährungstechnische Standfestigkeit mit dem Angebot eines Stückes Kuchen zu testen - und damit zum Einsturz zu bringen. Ich glaube, mit jeweils hausgemachter Tarte au citron und Mohnkuchen (noch warm) hatten wir jeweils unser Lebenselixir gefunden.




Nach einer weiteren Straßenbahnfahrt und bei noch mehr Kälte und Wind verabschiedeten wir uns schließlich von einander. Aber nicht ohne den Plan, küftig noch mehr laufende Blogger zu treffen - vielleicht ja sogar mal alle am selben Fleck!

Sonntag, 16. November 2008

Materialtest mit Endbeschleunigung

Der Titel dieses Posts mag etwas seltsam erscheinen, aber er trifft noch am Besten das Potpourri aus Vorhaben, Strecke und Trainingsform, das ich heute hinter mich gebracht habe und das mich doch einigermaßen zufrieden zurückließ.

Am vergangenen Dienstag hatte ich mir ja einen Rucksack (Deuter Speed Lite 20) samt Trinkblase angeschafft und las gestern bei den französischen Freunden vom "Ultrafondus", dass das Material für Trail-Läufe praktisch zu einem Körperteil werden müsse. Zusätzlich ermutigt machte ich mich also daran, das Preisschild vom Rucksack abzuknipsen, die Trinkblase auszupacken und vor allem die dazugehörige Gebrauchsanweisung zu lesen. Nun gut, zumindest beim Absaugen der Restluft scheine ich etwas nicht ganz so perfekt hinbekommen zu haben, denn meine anderthalb Liter Getränk schwappten bei jedem Schritt doch ziemlich in der Blase hin und her; weiß jemand, wie man es schafft, das Ding so zu befüllen, dass sich die Flüssigkeit wirklich auf die gesamte Höhe verteilt und sich nicht unten sammelt?

Als ich den ersten Schritt vor die Tür setzte, war es noch keine 12. Ich lief durch "meinen" Park und wurde dort von einigen Spaziergängern doch sehr seltsam beäugt. Einerseits kann ich das verstehen - wer braucht schon ein Getränke-Reservoir für eine Runde im Park; andererseits würde ich mir wünschen, dass zumindest Eltern (und das waren die mir entgegen Kommenden gemessen an der umherlaufenden Kinderschar) offen und pfiffig genug sind, zu merken, dass ein Läufer ja auch auf dem Weg nach weiter weg sein könnte!

Angesichts dessen, dass das eigentliche Vorsaison-Training noch gar nicht begonnen hat, lief ich zu Beginn betont langsam. Ehrlich gesagt hatte ich auch ein bisschen Respekt, eine so lange Strecke (> 30 Kilometer) wieder solo zu laufen und spekulierte irgendwie darauf, dass der Trinkrucksack mich schon bremsen und mir gleichzeitig eine Ausrede für mein niedriges Tempo liefern würde. Weiter ging's durch den Park, durch einen öden Außenbezirk der Stadt, wo die Novembersonne in besonders auffälligem Kontrast mit vielen Strahlen durch die Wolken schien und am See entlang, wo sich neben vielen Fußgängern und Joggern auch ein paar Entenfreunde auf dem vom Wind bewegten Wasser sonnten.

Bis dahin hatte ich nicht fotografiert, denn der Wind machte doch die Hände etwas steif und durch das "Tsch, Tsch, Tsch..." des Wasserbehälters fand ich den Lauf irgendwie nervtötend, wie er noch weitere gut 20 Kilometer vor mir liegen sollte.

Ab dem nächsten Abschnitt dann wurde es dörflicher. Ich lief an Pferdeweiden vorbei und dachte an die vielen Male, die ich mir bei langen Läufen erträumt hatte, davon eins zu kapern und so den Muskelschmerz in andere Partien umzuverlagern. Hinter der nächsten Kurven fraßen und wiederkäuten ein paar dick behaarte Rinder bei auffrischendem Wind auf ihrer Weide.





Dann schließlich hinaus auf's freie Feld, Feldweg und Autobahnunterführung Richtung Wolfenbüttel. Mit dem immer stärker werdenden Wind zeigten sich auch dick schwarze Regenwolken am östlichen und südlichen Horizont. Doch bis ich das bemerkte, versuchte ich mich noch in einem alten Spiel (gegen mich selbst) und gab an der Stelle, wo es nach der Autobahn einige hundert Meter ansehnlich bergauf geht richtig Gas. Dabei überholte ich zwei Pärchen, die mich diesmal verwundert aber freundlich anblickten und grüßten. Schließlich den lang gezogenen Feldweg nach Wolfenbüttel, von wo sich das Wolkenspiel so richtig schön sehen ließ und wo ich mich längs des Waldes wohl auf der Wetter abgewandten Seite befand.



Dann das gleiche zurück. Wieder der lange Feldweg, Autobahnunterführung, Gas geben. Zwischendurch nehme ich immer ein paar kräftige Hiebe aus meinem Trinkbeutel und finde, dass dieses Beißen und Saugen gleichzeitig ziemlich fordernd ist für eine außer Atem befindliche Läuferin. Bald habe ich 20 Kilometer in den Beinen. Die Herbstsonne hat sich verzogen, und mir ist nicht nur kalt, sondern ich fühle michauch schwach und vor allem unmotiviert, jetzt noch etwas mehr als 10 zusätzliche Kilometer zu absolvieren. Es ist dieser berühmte Punkt, an dem nicht nur die Beine, sondern auch der Kopf schwer werden - es steigt die Frage auf, warum ich mir so etwas heute antue und ob ich das in Zukunft in noch viel gößerem Umfang tun will. Eine Antwort finde ich nicht, vermutlich, weil ich diesen Anfechtungen gegenüber abgehärtet bin.

Irgendwann habe ich mich genug durch den Teil geschlängelt, der macht, dass bei diesem Lauf der Rückweg, so wie in die "Szene" nutzt, etwas länger ist als der Hinweg. Ich bin wieder am See und meine Fußsohlen brennen. Links macht sich unter dem Fußgewölbe der Schmerz einer Blase bemerkbar. Nachdem ich sie während der schwachen Phase zuvor in den Rucksack gepackt hatte, nutze ich diesen Totpunkt, um sie wieder auszupacken und noch zwei Bilder von der herbstlichen Atmosphäre samt Wind und Laubfärbung zu schießen.



Und dann geht es wieder. Ein, zwei Kilometer noch, dann bin ich zurück im Park, in der Stadt und werde mich mal in dem versuchen, was als "Endbeschleunigung" durch Trainingspläne und Foren spukt. Wohl weißlich: eine gute Spurterin bin ich nicht, meine Marathons sind weit davon entfernt, dass ích die zweite Hälfte schneller hinter mich brächte als die erste, bei der ich mich meist schon völlig verausgabe. Aber ich will diese Tempoverschärfung heute, ich will wissen, wie es ist, wenn man etwas macht, von dem man immer dachte, es ginge irgendwie nicht. Und es geht. Fast leichtfüßig trabe ich durch den Park, vergesse alles um mich herum und komme schließlich in den Stadt, laufe zwischen den Villen hindurch auf Laub übersäten Fußwegen und kreuze eine letzte Hauptverkehrsstraße. So einfach als wäre nichts gewesen.

Mit der Zeit (2:46 Std.) kann ich für über 30 Kilometer wirklich zufrieden sein. Das neue Material hat bis auf den wahrscheinlichen Befüllfehler auch gehalten, was es versprach: keine Verspannungen im Schulterbereich. Zufriedenheit. Und deutliche Erinnerung an die Zweifel. Nun gönne ich mir erstmal eine Dusche, ein Brot mit Quark und Marmelade (ich habe bislang noch gar nichts gegessen) und vor allem eine Beinmassage mit Arnika. Morgen gönne ich mir lauffrei. Auch das schön, wenn man's mal hat!

Samstag, 15. November 2008

Saisonplanung

Auch, wenn ihr von mir inzwischen ganz andere Dinge gewohnt seid, geht es in meinem heutigen Blogbeitrag um ein extrem simples Thema: das Laufen. Genau genommen begebe auch ich mich damit auf ein neues Terrain, denn wenn ich bisher an Wettbewerben teilgenommen habe, dann größtenteils entweder relativ kurzfristig gemeldet oder ohne größere Ambitionen. Mit der neuen Saison, deren Beginn ich entsprechend einer geläufigen Tugend mal auf "sofort" setze, soll das anders werden:


    • Ich möchte Saisonhöhepunkte als Ziele definieren.

      Das führt gleichzeitig dazu, einige Läufe auch explizit nicht mit 100 Prozent anzugehen.

      Außerdem möchte ich mehr Konstanz im Sinne von "mindestens ein Marathon/Ultra pro Monat, um für meinen ganz besonderen Saisonhöhepunkt genug Kilometer gesammelt zu haben.



  • (Eigentlich wollte ich das hier als Liste formatieren. Kann mir jemand sagen, wo der Wurm drin ist?)

    Ein zweiter, ebenfalls wichtiger Aspekt ist natürlich, dass ich mich auf Rückmeldungen freue, wer von euch eventuell auch da starten wird, wo ich's vorhabe. Und in Einzelfällen lasse ich mich vielleicht sogar zu einem Alternativ-Start (oder einem zusätzlichen) anderswo überreden!

    Nun aber zur Sache, also den konkreten Terminen und Zielen:

    Sa., 13.12.08 - Gerogsmarienhütter "Null" (50KM, ohne Zeitnahme)

    Sa., 03.01.09 - Landkreislauf Gifhorn (~ 66KM, ohne Zeitnahme)

    So., 22.02.09 - LüHa-FunRun von Lübeck nach HH (75KM, angestrebtes Durchschnittstempo 6:00Min/km)

    Sa., 21.03.09 - Steinfurt-Marathon (Zielzeit: 3:30 Std.)

    So., 26.04.09 - Hamburg-Marathon (Zielzeit: 3:15 Std.)

    Sa., 16.05.09 - Rennsteiglauf (da will ich bei den Damen ganz vorne mitlaufen!)

    Juni- Juli ???

    2.-6.08.09 - Baltic Run (Berlin-Usedom)

    Sa., 26.-So., 27.09.09 - Spartathlon (!!!)*

    Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie ich mich schon auf diese neue Saison freue! Allerdings habe ich noch keinen Plan, wie genau ich meine Ziele wirklich erreichen will. Und ich fürchte, als Bauch-Mensch, der ich nunmal bin (und dem 20 Kilometer im Marathon-Tempo viiiiiel schlimmer vorkommen, wenn sie im Trainingsplan stehen als 30 'spontane'), ist da wohl auch nichts zu machen. Naja, im Winter Grundlagen halt und dann ab Februar auch wieder'n bisschen Tempo ;-)

    * 16.11.08: Aus Vernunft- und Kostengründen verschoben. Dafür aufgenommen: "Baltic Run".

    Freitag, 14. November 2008

    Fehllösungen

    "Hüten wir uns, denen die Wahrheit mitzuteilen, die nicht im Stande sind, sie zu fassen." (Rousseau, "Émile")

    Dass es mit der Welt nicht zum Besten steht, konnten wir in der Blogger-Community in letzter Zeit immer und immer wieder lesen, zum Beispiel hier, hier oder auch hier. Urheber der Misere ist nicht der Mensch, wie es oft euphemistisch-distanzierend ausgedrückt wird, sondern sind Menschen, wir!

    Nachdem sich meine Vorschreiber so inbrünstig den Resultaten menschlichen Fehlverhaltens gewidmet haben, drängte sich mir unmittelbar die Frage auf, warum wir es eigentlich nicht schaffen, unsere Sache besser zu machen. Ich meine, die ersten Berichte über Umweltzerstörung und nicht nachhaltiges Wirtschaften gab es im 19. Jahrhundert. Was nicht verhindert hat, dass ein Großteil der Industrialisierung auch danach nicht umweltschonender ablief, der Mensch sich weiterhin an seinen Mitgeschöpfen und sogar an anderen Menschen in unfassbarer Weise vergriff und immer noch vergreift, und das alles ohne Not und unter wiederholten Beteuerungen, es jetzt besser machen zu wollen, als in der Vergangenheit.

    Wenn ich mich allerdings umsehe und in Anbetracht der Dinge, die ich auch durch meinen bewusst eingeschränkten Medienkonsum noch mitbekomme, dann scheinen wir hier nicht über Lippenbekenntnisse hinaus zu gelangen. Im Gegenteil werden mit Worten und vermeintlich vernünftigen Argumenten diejenigen niedergedroschen - oder von vornherein klein gehalten - die auf vorhandene Schieflagen aufmerksam machen. Der Protest gegen das klammheimich werdende Atom-Endlager Gorleben in der letzten Woche, an dessen Grundaussagen eigentlich kein Zweifel bestehen kann, ist dafür ein ebenso haarsträubendes Beispiel wie die Tatsache, dass es den US-Amerikanern und Briten allen Ernstes möglich war, trotz erwiesenermaßen falscher Beweislage den Irak-Krieg vom Zaun zu brechen. Gehässig hat man diejenigen gescholten, die, aus einem dumpfen Gefühl heraus oder auf fundierter Grundlage ein "zweites Vietnam" voraussagten; eine Sichtweise, die inzwischen wegen der misslungenen "Befriedung" (ein Begriff, der im Zusammenhang mit dem Selbstbestimmungsrecht eines Volkes so absurd ist wie Prügelstrafe für den Aubau kindlichen Selbstbewusstseins) nicht nur von vielen Irakern genau so empfunden wird. Und wem man seine vorgeblich unlauteren Motive nicht so unmittelbar unterstellen konnte, den diskreditiert(e) man mit dem Urteil "mangelnder Vernunft": ein Diktator muss nunmal weg (zumal wenn er es nicht mehr schafft, den Zugang zu weltwirtschaftlich wichtigen Ressourcen - sprich Öl - zu gewährleisten), und welche Alternative hat denn unser Wunderland zum Energielieferanten Kernkraft?

    Niemand scheint zu bemerken, dass all diesen Argumenten nur ein einziges Motiv unterliegt: der Wahn, immer mehr immer schneller und immer "besser" zu machen, angetrieben durch eine Maschinerie, deren einziger Maßstab monetär ist, kaltes, inhumanes Geld. Diese Blindheit für das Wesentliche hat sich gerade in den letzten Monaten besonders extrem ausgewirkt. Denn was ist eine durch Schwierigkeiten an der Börse ausgelöste Krise der realen Wirtschaft anderes als der Irrglaube, dass überbewertete Chimären, die nicht mal mehr als Dollar-Noten oder Papier-Aktien, sondern nur in Computern als Bits und Bytes existieren, sich ernsthaft darauf auswirken könnten, wieviel Getreide wächst oder ob mir der Bauer um die Ecke Radischen für 50 Cent oder einen Euro das Bund anbietet?

    Damit komme ich zurück zu der Frage, warum wir Menschen es eigentlich nicht besser machen. Und ich denke, die Angst, sich aus eingefahrenen Mustern zu lösen und gegen den Strom zu schwimmen, spielt dabei eine Hauptrolle. Das beginnt beim Medienkonsum und endet beim Handeln in viel individuelleren Situationen. Denn, ganz ehrlich: von der derzeitigen Krise der Weltwirtschaft hätte ich ohne die Medien rein gar nichts mitbekommen: meine Bank ist nicht pleite, mein Arbeitgeber auch nicht (oder schon lange, wie man's nimmer beim Öffentlichen Dienst) und die Preise einzelner von mir konsumierter Artikel lerne ich nicht in der Weise auswändig, dass sie zwangsläufig zum Seismographen für derartige Entwicklungen werden. Außerdem habe ich ganz stark den Eindruck, dass die "Vierte Macht" ihrer Aufgabe als Informationslieferant und Kontrolleur eben nicht alle Ehre macht. Stattdessen wird ein einmal begonnener Hype unterstützt, wird unreflektiert die Meinung der Mehrheit und vor allem der Mächtigen weiter posaunt, ohne kritisch zu hinterfragen und dadurch die Krise unnötig angeheizt.

    Wie wäre es mal mit einem Gedankenexperiment zu einem autarken Leben? Aber auch diese Denkweise steht ja unter Deskreditierung wegen des Generalverdachts von "Sozialismus", wobei sich mir der damit verbundene Horror - abgesehen von realen Beispielen des vergangenen Jahrhunderts - nicht so recht erschließen mag. Dabei geht es eigentlich nur um das, was Watzlawick "Lösungen zweiter Ordnung" genannt hat. Es geht um ein Ausbrechen aus eingefahrenen Wegen. Von dort ließe sich vielleicht eine Außenperspektive einnehmen. Und diese würde uns dann nicht zeigen, dass alles doch nicht so schlimm ist; sondern klarmachen, wo der Schuh nicht scheinbar - siehe Medienhype - drückt, sondern tatsächlich.

    Leider gibt es aber in der Welt keine Institutionen für "Problemlösungen zweiter Ordnung". Das Schauen über den Tellerrand und das Denken "out of the box" werden als nicht zielführend, ineffizient und esoterisch abgetan. Selbst eine Welt-Klimakonferenz beschäftigt sich nicht eigentlich mit den Ursachen des Klimawandels, sondern nur ganz banal mit quantitativen Zielen, mit denen man auf Basis einer mehr oder weniger verlässlichen Schätzung sich auf minimale Änderungen gegenüber dem Status quo einigen möchte. Dasselbe gilt für unser Wirtschaftssystem, an dem individuelle Bezahlung noch immer an einen starren Begriff unmittelbarer Verwertbarkeit gekoppelt ist; die Alternative, ein bedingungsloses, die physische und soziale Existenz sicherndes Grundeinkommen, ist auf der eigentlich politischen Bühne nicht einmal diskussionswürdig.

    Ich könnte so noch eine Weile weiter schreiben, Kritikpunkt an Verschlimmbesserung reihen und immer wieder aufzeigen, dass Lösungen nicht unmöglich sind. Dies setzt aber das Hinterfragen der beschriebenen "Fehllösungen", ihrer Inhalte und Institutionen, voraus. Wäre es möglich, dass dies den meisten Menschen im Moment ebenso unbegreiflich wie vor allem unzumutbar ist? Und dass deshalb Andersdenker systematisch (wenn womöglich auch ungewollt) diskreditiert werden? Das wäre zumindest in Grund, warum wir scheitern...

    Donnerstag, 13. November 2008

    Ins Schwarze



    Besonders gut geschlafen habe ich diese Nacht nicht. Grund genug, den Tag nicht so schlecht starten zu lassen, wie der Schlaf endete, und also ein paar Schritte auf meiner angestammten Trainingsrunde zu tun. Angelockt von den Berichten aus dem Lauftreff hoffte ich außerdem auf einen schönen Sonnenaufgang - und griff dementsprechend beim Schlüpfen aus der Korridortür noch schnell die Kamera.

    Kaum 6 Uhr war es, als ich meine Zeitmessung auf "Null" und meinen Körper in Trab setzte. Früh am Morgen und finster wie in tiefster Nacht. Wer diese Atmosphäre nicht selbst erlebt hat, wird kaum ahnen, von welchem entspannenden Zustand ich spreche - etwas Schönes zwischen Schlafen und Wachen - der sich gleich auf den ersten Metern der zu überquerenden Straßenbrücke einstellte.




    Mit einer unguten Gewohnheit brechend hielt ich bald darauf auch den mp3-Player an und freute mich von da an an der relativen Ruhe über dem Park und meinem Wohnviertel bevor auf den Staßen und der nahe gelegenen Stadttangente der Verkehr zu seiner vollen Gewalt aufbraust. Ich überholte einen Hundebesitzer, der samt Pfiffi mit blinkenden Verkehrssicherheitsleuchten ausgerüstet war, was mir als bizarres Schauspiel erschien. Gleich darauf ließ ich das Heizkraftwerk rechts liegen, dessen Turm ebenso rot blinkend bis zu großen Höhen aufragt. Unterführung, Schrebergartenkolonie, bald blenden mich auch die ersten Fahrrad- und Mofafahrer, die schon zu so früher Stunde auf dem Weg zur Arbeit sind.

    Dann endlich der See. Ich kann sie nicht erblicken, weiß aber, dass sie da sitzen müssen auf dem Wasser und höre auch bald ihr Schnattern: meine Entenkolonie. Der Versuch eines Fotos missglückt wie eigentlich so ziemlich alle heute Morgen - zu lichtschwach mein Kompaktkamera-Objektiv und zu gering die Reichweite des Blitzes. Na gut, störe ich also die erwachende Natur nicht länger und drehe meine nächsten Runden. Insgesamt 3 sollen es werden - gut 10 Kilometer mit hin- und Rückweg, die mich trotz aller Verschlafenheit der Glieder und des Gefühls wenig optimaler Fitness davon überzeugen werden, dass Laufen zu so früher Stunde ohne echte Alternative ist.




    Auch andere scheinen ähnlich zu denken. 3 Läufer kreuzen in recht zügigem Tempo regelmäßig meinen Weg. In dieser Phase weiß ich nicht, ob mir kalt ist. Meine Gedanken sind auf Wanderschaft, manchmal in trüben Gefilden und manchmal aufgegangen in der Natürlichkeit, an der uns Menschen das Laufen Anteil schenken kann. Zweite Runde, dritte Runde, morgen laufe ich vier! Als ich ein zweites Mal am Steg ankomme, hat das Warten auf den Sonnenaufgang immer noch kein Ende gefunden. Leicht enttäuscht knie ich nieder, um euch einen Eindruck von den im Schwarz daliegenden Holzbohlen mitzubringen. Dann der Rückweg. Langsam, ganz langsam zeigt der östliche Horizont ein dumpfes Leuchten von Lila, das auch nicht rot wird, bevor ich wieder zuhause bin.




    Erschöpft aber zufrieden lasse ich mich in meinen Lesesessel fallen, dusche und dann: nochmal ab ins Bett, wo es mir endlich gelingt, in einen erholsamen Schlaf zu finden. So war denn dieser Morgenlauf ein weiteres besonderes Erlebnis. Und im Guten wie im Schlechten ein Treffer "ins Schwarze"!

    Dienstag, 11. November 2008

    Ach ja, Laufen!

    Heute war wieder so ein Tag. Im Büro lief es, wie schon seit Wochen, eher mittelmäßig und unspektakulär. Wie Arbeit halt manchmal so ist: nicht schlimm, aber auch nicht so, dass man beim Gedanken daran schon über das ganze Gesicht strahlt und es gar nicht erwarten kann, hinzugehen. Wie so oft blieb ich auch mal wieder viel zu lange, und als ich mit dem Fahrrad die Rampe hoch in die scheinbar tiefste Nacht gefahren war, dachte ich nur: nicht schon wieder!

    Erste Aufheiterung brachte ein Outdoor-Laden. An meiner Strecke gelegen und eigentlich für meinen Geschmack zu teuer, ist dort wegen kommender Renovierung Alles durchgängig um 20 Prozent reduziert. Zeit also, mir endlich mal einen wirklich leichten, geländegängigen Trinkrucksack (es gab sogar noch Auswahl zwischen verschidenen Marken und Modellen) sowie eine Softshell-Jacke für ungemütliche Laufbedingungen zu kaufen. Wer jetzt denkt, dass dies ein kurzes Unterfangen war, hat mich noch nicht über größere Anschaffungen (>10 Euro) nachgrübeln sehen. Den einen Rucksack auf; ganz gut, was ist das nochmal mit 20 Prozent weniger? Den nächsten, noch besser, aber zu wenig Trinkvolumen. War der andere also doch nicht so gut? Ein dritter zum Vergleich muss her. Aber halt, brauche ich überhaupt einen, wenn ja, wofür, und wie wahrscheinlich ist das? Na gut, mit der Softshell ging's dann etwas schneller und ich glaube sogar, beim Kaufen etwas weniger zweifelnd geworden zu sein als dazumal.

    Als ich rauskomme ist mein Fahrradsattel von einer feinen Nieselschicht überzogen. Am Ende war der Preis an der Kasse sogar etwas geringer, als ich zuvor im Kopf überschlagen hatte. Das und die Überzeugung, nützliche Dinge erworben zu haben lassen mich zufrieden werden. Aber dann die Frage: Was tun mit diesem Abend? In den Lesesessel? Mit Freunden in die Kneipe? Ach nee, Alkohol, der ist mir schon am Sonntagabend wirklich schlecht bekommen - trotz geringer Dosis. Also die rettende Idee und der bestätigende Blick auf die Uhr: heute ist ja Lauftreff! Und wenn ich mich zu Fuß dorthin aufmache, komme ich hin und zurck sowie mit der gemeisamen Strecke auf ungefähr 14 Kilometer. Nicht schlecht für mein Anti-Schokoladen-Reiterhosen-Wintertraining.

    Schon als ich die Laufshirts übergestriffen habe keine Spur mehr von Aufraff-Problemen. Mit Ersatzbrille und (ich geb's zu) guter Musik auf den Ohren geht's also raus auf die dunkle, belebte Straße und ab da ist alles anders. Der Blick auf die Stoppuhr zeigt mir 41 Sekunden "Laufzeit", doch es ist, als sei ich in einer anderen Welt. Muss das wohl endlich mal (wieder) bei mir verankern: Wenn gar nichts geht - laufen!

    Sonntag, 9. November 2008

    Welche Welt?

    Erst gestern ließ ich ja zwischen den Zeilen verlauten, dass ich gelegentlich mal Input in bestimmte "Netzwerke" gebe. Tatsächlich tut es hier nichts zur Sache, um wen es sich dabei handelt, wobei die thematische Streuung ohnehin so groß ist, dass es Sinn macht, die Aufmerksamkeit auf diesen einen Aspekt zu lenken: es handelt sich aus meiner Sicht um Gemeinschaften des Gebens und Nehmens, in der Regel mit irgendeinem Anknüpfungspunkt zu Dingen, die mir wichtig sind.

    In einigen dieser Netzwerke bin ich dauerhaft aktiv, da hinein fällt der Lauftreff ebenso wie die Mithilfe in Vereinen, Verbänden, der Kirche... In anderen bin ich eher eine interessierte Beobachterin, "zapfe" gelegentlich mal diese Wissensquelle an und gebe ebenso gelegentlich auch etwas zurück. Die Motivation hinter dem nur gelegentlichen Zurückgeben ist vor allem eine negative, d.h., ich übe mich in Zurückhaltung ob der allgemeinen Beschwerden über Informationsüberflutung - und wiege mich unterdessen in der Gewissheit, dass andere eben auch sporadisch antworten, wenn ich es gerade mal nicht tue.

    Diese für mich schon an eine Tatsache grenzende Gewissheit schlug gestern Abend allerdings sehr plötzlich um. Aus einer gutmütigen Laune heraus hatte ich jemandem ein paar Tipps zukommen lassen, von denen ich befürchtte, sie seien im Ernstfall die Bits und Bytes nicht wert, die der E-Mail-Versand benötigen würde und landeten aufgrund zuvor erhaltener, viel besserer Hinweise ziemlich schnell im virtuellen Papierkorb. Stattdessen musste ich feststellen, dass die Empfängerin mir eine ziemlich dankbare Antwort-Mail sandte, aus der ich zu lesen meine, dass ihr kaum jemand bis gar keiner außer mir geantwortet hatte. Kann es denn sein, dass die anderen immer nur so schlau, hilfsbereit und vor allem "vernetzt" tun, wenn es hart auf hart kommt aber keinen Finger rühren? Ist es womöglich wirklich so, dass manche Mailinglisten bestehen, um die Illusion einer Community aufrecht zu erhalten und man darüber vielleicht nochmal virtuelle Verbalschläge austeilt (selbst als Antwort schon erhalten), wenn man schlechte Laune hat?

    Wie dem auch sei. Das war der erste Gedanke, der mir in den Sinn kam. Und der zweite: Dass es gerade dort, wo scheinbar sehr viele Menschen reagieren könnten, es nichts Gutes gibt, außer man tut es. Das ist vielleicht dassselbe Phänomen, wie wenn jemand in der Fußgängerzone angepöbelt wird, und niemand kümmert sich. Nur weniger gefährlich. Und trotzdem unverschämt. Die die Mailingliste nur "aus Prestige" abonnieren, wissen sie schon alles oder checken sie gar nichts? Finden sie es cool, andere Leute runterzumachen oder ist es nur himmelschreiende Selbstunsicherheit, die ihr Verhalten bestimmt? Welche Welt ist das hier?

    Samstag, 8. November 2008

    Lebenswege

    Samstag, 12 Uhr. Es ist ein schöner Tag, nicht nur dafür, dass wir November haben. Von der nahen Kirche weht das Mittagsläuten herüber, durch die isolierten Fenster wahrzunehmen als helles Summen mit vernehmbaren Schlägen, sofern man denn hinhört. Früher, in einer Zeit vor dieser, war das wie eine Schwelle. Zeit, nach Hause oder aus dem Jugendzimmer herunter zu kommen, den Tisch zu decken, wo es - im Rückblick zumindest - im Wechsel Spaghetti Bolognese, Spinat mit Spiegeleiern oder Weiße Bohnensuppe gab, oder einfach mit der ganzen Familie in der Küche zu klönen. Das Wochenende hatte begonnen, Zeit für uns, Zeit für mich, Zeit des Zusammenseins und der Geborgenheit.

    Gerade komme ich von einem Lauf zurück. Knapp 1 Kilometer in etwas über 47 Minuten, nicht schlecht und trotzdem ein Genuss wenn man spürt, wie der Körper eins wir mit der Bewegung und sich die Seele über den Augenblick erhebt, um in der Natur aufzugehen, die hier, wenn auch eingebettet in Stadt, eine bestimmte Art weiter Geborgenheit bietet. Dass sich sogar ein mittelgroßer Hund ebenso neugierig wie respektvoll außer Reichweite eines graziösen Schwans hält, ist eine Anekdote aus diesem Wunderkosmos, der sich gerade demjenigen erschließt, der ihn häufiger und ohne großes Aufhebens im Sinne von "heute mal einen Spaziergang" besucht.

    Was ich aber auch schon hinter mir habe, ist eine ganze Menge "Aktivität": Briefe wollen zur Post gebracht, öffentliche Stellen mit Formularen beruhigt und unzählige Netzwerke mit mehr oder weniger entscheidenden Beiträgen meinerseits zufrieden gestellt sein. Das Mittagessen um halb 1 ist längst kein Fixpunkt mehr, vielmehr das Wochenende ein Puffer, in den der allzu vollgestopfte Alltag viel zu oft hemmungslos hineinragt. Viel zu wenig Zeit bleibt für das Wesentliche, sei es im Kleinen (soziale Kontakte) oder im Großen (den eigenen Sinn finden - und leben).

    In Anbetracht dessen überwogt es mich in unregelmäßigen Abständen, legt sich auf die Brust, um entweder als schriller Schrei zu entweichen oder sich als Stein groß und Schwer dort festzusetzen: das Gefühl, dass alles schief laufe. Und dabei sind es gar nicht die kleinen Fallen des Alltags, jene Zwischenfälle, über die man sich ärgert und die man dann konkret beschreiben und seinem Unmut auf diese Art Luft machen kann. Es ist mehr der Eindruck, dass alles Geschehen auf unheilvolle Weise in eine falsche - mir nicht entsprechende - Richtung führt. Er ist gepaart mit der Erfahrung, dass ich gegen diesen Ablauf ohnmächtig zu sein scheine - gefangen in Bahnen, die nicht zu mir passen.

    In diesen Momenten wünsche ich mich zurück in die elterliche Küche. Nicht, weil sie besonders schön war. Mit ihrer 70er-Jahre-Küchenzeile, von der das Beste bereits "ab" war, war sie unter ästhetischen Gesichtspunkten sogar ausgesprochen hässlich. Und dass meine Eltern dort rauchten und ich mich trotzdem niederließ, unterstreicht einmal mehr die Bedeutung des dort stattfindenen sozialen Aktes. Und wenn es schon nicht Geborgenheit ist, zu der ich mich aufgrund ihrer Schattenseite, der Unfreiheit, zurücksehne, so ist es doch die Offenheit der damaligen Zeit. Die Chancen oder Illusionen von Chancen, die über einem Leben schwebten, das in dieser Szene kondensiert ist. Auf dass ich den Menschen wiedertreffe, der ich damals war, und sich die Lebenswege noch einmal kreuzen, um Traum und Wirklichkeit einander näher zu bringen.

    Dienstag, 4. November 2008

    Bodenlos

    Et si la vie avait un sens

    Et si le monde voulait dire quelque chose

    Et si la liberté n'etait pas seulement un mot

    Et si la vérité existait

    Et si l'amour ne décevait jamais

    Et si le fait que j'existe n'était pas un hasard?

    Anonym


    Der unbekannte Dichter fasst in Worte, was wir oft nicht wahrhaben möchten: Dass alles, was uns freut, was uns bewegt und uns zeigt, dass wir leben, nichts anderes ist als eine schöne Illusion. Doch was passiert, wenn die Masken fallen? Wenn das Alltägliche nicht mehr täuscht und die Fassaden nicht mehr erfreuen? Dann stehen wir vor der Frage aller Fragen, nämlich, welchen Sinn das hier alles hat.

    Die Antwort? So einfach wie bedrückend: keinen. Das ist es, was das Leben ausmacht. Kein Grund, sondern nur Fall, kein Halt, sondern bodenlos. So geht es mir. Das Leben: kein Trost. Das Laufen: ein letztes Aufbäumen. Was habe ich zu verlieren? Nichts in einer Welt, wo gewinnen nicht existiert.

    Zwar kann ich immer sagen, ich hätte es versucht. Doch ist Versuch dasselbe wie "nicht geschafft". Da stehe ich nun, unter den Füßen nicht mal mehr ein Laufband, das, einem Hamsterrad gleich, geschäftige Hetze und Treten auf der Stelle grauenvoll vereint. Die Erde unter mir, ich will sie nicht mehr sehen. Immer schön einen Schritt vor den nächsten? Das war einmal. Es ist vorbei. Mein Leben nur noch das: am Ende.

    Montag, 3. November 2008

    Rund geht's!

    In meinem Leben geht es derzeit ganz schön rund, und das glücklicherweise nicht nur im übertragenen Sinne. So ging es gestern im Laufschritt "rund um" meine Stadt, eine willkommene Gelegenheit, mal wieder eine Strecke zurück zu legen, die das Attribut "länger" auch wirklich verdient (nämlich 35 Kilometer), und dabei einige Bekanntschaften aufzufrischen. Ehrlich gesagt, war ich vor diesem Unterfangen nicht sonderlich optimistisch, und selbst als ich an diesem Sonntagmorgen um halb 8 vom Wecker aus meinen Träumen gerissen wurde, hatte ich noch ernsthafte Zweifel: Sollte ich mir das wirklich antun? Und würde es auch gut gehen? Dazu muss ich sagen, dass ich mich vielleicht halbwegs vom schlimmsten Teil meines Infekts erholt habe, aber "in Form" kann man meinen momentanen Zustand nun wirklich nicht nennen. Das einzige Argument, das schließlich doch überzeugte, war eine E-Mail von meinem langjährigen Laufbekannten Uwe. Er hatte mich vor ein paar Wochen per E-Mail auf die diesjährige Edition dieser Veranstaltung aufmerksam gemacht, auf die ich ihn vor 3 Jahren zum ersten Mal mitgeschleppt hatte. Und nach meiner Zusage in vorauseilendem Gehorsam wollte ich wirklich keinen Rückzieher machen.

    Natürlich kam es, wie es kommen musste. Aufgrund meines nach Möglichkeit immer noch studentisch-spätestmöglichen Aufstehens schaffte ich es nicht einmal mehr, mir vor dem Lauf eine Banane 'reinzuschieben; Kaffee war dank allgemeiner Desorganisation sowieso aus, so dass ich schließlich mit nüchternem Magen auf die Strecke gehen musste. Hatte ich erwähnt, dass dies in gewisser Weise auch für mein Auto galt? Ich war also bereits mit nervöser Unruhe und ständigem Blick auf die Tankanzeige des Wagens möglichst spritsparend zum Start gerollt. Dann bereits auf dem ersten Kilometer am nebelüberhangenen See entlang das erwartete Erwachen: "Es" läuft irgendwie nicht. Was tun? Ich unterhalte mich mit Uwe, werde von einer anderen Bekannten aus dem Lauftreff angesprochen und frotzele allgemein vor mich hin, diesen Streckenabschnitt kaum zu erinnern. Schließlich liefen wir den immer "vor dem Wachwerden". Doch die Strecke zieht sich und zieht sich. Bei 16 Kilometern ein längerer Stopp. Den hatte ich auch "früher" beziehungsweise "bequemer erreichbar" in Erinnerung. Der Wind weht trotz der Rast innerorts unangenehm, nicht zuletzt, weil ich völlig durchgeschwitzt bin. Wir lesen ein paar "Einsteiger" auf und ich frühstücke anderthalb Becher Cola, die mir auch nicht dabei helfen werden, besser in Tritt zu kommen.

    Schon geht die Quälerei weiter. Wir laufen über triste Brücken und zwischen trüb-braunen Korn- und Rübenfeldern durch. Die Unterhaltung wendet sich heldenhaft zur Saionplanung für das nächste Jahr. Mir ist eigentlich nicht ganz wohl in meinem Körper, dennoch mache ich tapfer mit, denke wohl, wenn ich mich furchtlos zeige und den Bestzeiten den Kampf ansage, entschwindet das körperlich-mentale Tief dorthin, wo es herkam. Aber wo genau kommt es her? Unterdessen sind wir bei 3:15 Stunden zum Hamburg-Marathon und an dem See, um den herum ich meist meine morgendliche Runde drehe. Alles ist immer noch eingehüllt in den Nebel, vom dem ich den Eindruck habe, er klebe an meiner Haut. Dabei bräuchte ich ihn dringend zur Abschirmung von Außeneinflüssen. Denn es gibt ja bei Gruppenläufen immer Leute, die meinen, andere könnten nicht für sich selbst sorgen; mit ihrem ständigen "Achtuuuung, Pfosteeeen!" oder "Pfützeee" erschrecken sie mich jedesmal zu Tode und machen nicht nur meinen Laufrhythmus, sondern vor allem auch die so geschätzte geistige Ruhe kaputt.

    Irgendwann an einer hässlichen Straßenbahn-Wendeschleife haben wir den 22ten Kilometer überwunden. Ich versuche noch einmal, mir einzureden, ab jetzt ginge es nur noch "bergab", doch was bei Anfängern beim Berlin-Marathon hilft, vermag mir in meinem jämmerlichen Zustand inklusive Kenntnis der restlichen Strecke nicht zur moralischen Unterstützung zu gereichen. Jetzt ist nichts mehr schön. Mir geht's dreckig, und die einzigen Argumente, die mich zum Weiterlaufen animieren, sind meine Wechselklamotten und mein Auto. Beide stehen nämlich am Zielpunkt, und schneller als mit dem Trupp komme ich dort auch anders nicht hin.

    Also noch ein bisschen weiter. Längs des Parks, in dem ich früher von meiner anderen Wohnung aus immer gelaufen bin, durch Schrebergarten- und richtige Siedlungen, längs Weiden, Feldern und dem Golfplatz bis schließlich nur noch der neuralgische Straßentunnel und das Schloss vor uns liegen. Doch selbst auf diesen allerletzten Kilometern spüre ich nichts außer unendlicher Schlappheit. Angekommen, setze ich mich kurz auf den Beifahrersitz des Autos. Keine Freude, keine Genugtuung. Dann heiße Dusche, die gut tut und gemütliches Beisammensein, an das ich bisher gar keinen Gedanken verschwendet hatte und das mich jetzt so unheimlich freut - nicht nur wegen des guten, läufergerechten Essens.

    Dennoch gehe ich pünktlich, bin zuhause noch ein wenig "geistig produktiv" und beschftige mich im Hinterkopf immer wieder mit dieser einen Frage: Wann bin ich endlich wieder fit?

    Heute dann erster Arbeitstag nach dem Urlaub. Da ich mir das Laufen (aus Vernunft!) schenke, fällt das Aufstehen nicht so schwer; um so mehr aber das Einfügen in eine Arbeitsweise, die eben nicht völlig und einzig durch das bestimmt ist, was ich denke und für richtig halte. Doch so ist nunmal das Leben, auch mittelmäßige Arbeitstage gehen vorbei - und zeitigen mitunter trotzdem Ergebnisse. Viel schlimmer war, dass mir die Gangschaltung (Nabe) meines Rades am Freitag endgültig einen Vogel gezeigt hatte und ich so nur noch im ersten Gang unterwegs sein konnte, und da dies genau so langsam wie zu Fuß ist, nur anstrengender und dass das wilde Gestrampel schräge Blicke auf sich zieht, war ich einige Tage zu Fuß unterwegs. Bis, ja bis ich heute einen Ort in dieser Stadt entdeckte, den ich vielleicht schonmal vorher hätte aufsuchen sollen: die Fahrrad-Selbsthilfewerkstatt. Dort bekam ich nicht nur meine Gangschaltung und die ewig heraus springende (weil zu locker sitzende) Kette in den Griff; mir wurde auch einmal mehr bewusst, dass "Technik" nicht zwangsläufig schwierig bis unverstehbar sein muss. Außerdem dauerte es nur 20 Minuten. Geld gespart, was Neues gelernt, Selbstvertrauen gewonnen. So darf jeder Tag aufhören!