Freitag, 11. September 2009

Nach dem Marathon der 100er

"Warum tue ich mir das an?" Wer hat sich das nicht schon gefragt sonntagsmorgens um 6 oder beim Marathon nach 10 Kilometern, nachdem es gar nicht gut anläuft, das Wetter schlecht und die Beine unerwartet schwer sind? Nach Überqueren der Ziellinie sind wir dann natürlich doppelt stolz, und auch zurecht, denn wer trotz Quälens durchhält, hat wahrlich auch moralisch eine große Leistung erbracht. "Nie wieder!" sagen trotzdem nicht wenige, und einige, bei denen es gut geklappt hat, leben zumindest von nun an mit der Ansicht, "weiter als Marathon geht nicht!"

Kennt man allerdings die Gesichter (oder Blogs) seiner Pappenheimer, so weiß man auch, dass der Mensch vergesslich ist. Denn viele stehen 3 oder 6 Monate oder auch ein Jahr später wieder auf der Startlinie: "Ist es nicht schön, wenn der Schmerz nachlässt?" Und da das Nachlassen vermeintlich um so schöner sein muss, je schlimmer der Schmerz, hat sich der Laufgott für die ganz Vergnügungssüchtigen etwas Besonderes einfallen lassen: sie können landauf, landab an einem Ultra-Trail oder einem "100er" teilnehmen.

So weit, so gut. Doch hat diese Logik ihren Haken ja eigentlich dort, wo der Mensch grundsätzlich geneigt wäre, Schmerz und Mühen gänzlich zu vermeiden. Können wir denn kein bequemes Leben haben, ohne uns vorher zu Quälen, so nahe heran an den Hades-Unterweltfluss heranzusteigen, bis uns der Tod fast näher scheint als die Lebensgeister?

Im Prinzip schon. Wenn, ja wenn mensch nicht auch lernen könnte, den Weg an die Grenzen nicht nur gezielt, sondern vor allem auch kontrolliert zu gehen: Einen Marathon mit Mühe und Not durchstehen ist ein ganz anderes Erlebnis, als ihn mit Körperbewusstsein zu laufen. Das kann bei dem einen der reine Genusslauf sein; bei mir ist es eher das Wahnsinnsgefühl, zwischen zuviel Bequemlichkeit und dem totalen Absturz in Kurzatmigkeit, Krämpfe und der absoluten Unfähigkeit, mir auch nur einen weiteren Schritt vorzustellen, zu balancieren. Laufen im Flow.

Am Ende ist man sich gewiss, eine bestimmte Strecke nicht nur gelaufen zu sein, sondern sie auch im eigentlichen Sinne laufen zu können. Und nimmt eine besondere Triebfeder mit für andere Bereiche des Lebens.

So werde ich in den nächsten Jahren bestimmt oft die inkriminierte Frage stellen: "Warum tue ich mir das an?" Ich hatte Alternativen, ein verlockendes Jobangebot vorliegen, könnte mich weiter bewerben, einfach vor mich hindümpeln, irgendwo Dienst nach Vorschrift schieben - oder auch einfach nur reich heiraten. Aber ich mach's nicht. Vor 3 Monaten habe ich mich entschieden und heute Nacht nach 2 zäh ringenden Wochen nochmal. Und das, obwohl die Marathondistanz (Magisterarbeit) insgesamt kein erfreuliches Erlebnis war: ich mach den akademischen 100er, ich promoviere...

9 Kommentare:

Evchen hat gesagt…

Meinen tiefempfundenen Respekt! Mehr mag ich dazu nicht schreiben, Du hast das schon wunderbar in Worte gefaßt. :-)
Wann ist es so weit?

Die Erleberin hat gesagt…

@Evchen:
Danke. ich dachte eigentlich, es wäre für den Blog-Kontext etwas zu tiefgründig... Mit dem "Anfangen" habe ich schon angefangen, jetzt geht's an Durchstarten...

ultraistgut hat gesagt…

Liebe Christiane,

irgendwie wundere ich mich nicht über deine Ziele und freue mich über deinen Entschluss. Du machst auf mich den Eindruck,als wärst du auf der Suche nach.............., nicht nur läuferisch, sondern überhaupt.


Herzlichen Glückwunsch zu diesem Schritt, finde ich genial, wir haben zwei davon !

Noch kurz zu deinem gelaufenen Marathon, der mich dahin gehend überrascht hat, als ich eigentlich eine schnellere Zeit von dir erwartet hatte aufgrund deiner gelaufenen 100-Kilometer-Zeit, das Verhältnis stimmt in meinen Augen nicht, und ich denke, da ist noch viel mehr aus dir herauszuholen.

Nein, natürlich ist die gelaufene Zeit nicht schlecht, aber ich denke, bei dir müsste eigentlich mehr drin sein.

Was meinst du dazu?

Heiko - Laufe Marathon hat gesagt…

Hallo Christiane,

mich wundert es auch nicht und ich verfolge dies alles gern weiter. Irgendwie ähneln sich unsere Vorhaben, dann packen wir es an, viel Glück auf dem Weg.

Gruß Heiko

Die Erleberin hat gesagt…

@ultraistgut:
Zum Thema Marathon kann ich nur sagen "ja und nein". Ja, weil du natürlich im Hinblick auf meine 100er- und Marathon-Durchgangszeit in Leipzig recht hast. Nein, weil ich dieses Mal bewusst weder auf etwas noch besseres hintrainiert habe, noch wirklich die Erwartung hatte, selbst die 3:30 zu knacken. Und auch nein, weil mir ausgerechnet Marathon so überhaupt nicht zu liegen scheint. Die Zeiten sind immer Ausreißer...

@Heiko:
Ja, packen wir es an.

Hannes hat gesagt…

Wow. Da kann man wirklich nicht viel mehr als den Hut zu ziehen und Respekt zu zeigen. Ich bin gespannt, wie es wird.

Die Erleberin hat gesagt…

@Hannes:
Im Moment muss man aber noch keinen Hut ziehen. Man weiß ja eben noch nicht, was wird...

Gerd hat gesagt…

Den wichtigsten Schritt hast Du schon gemacht.
Meinen herzlichen Glückwunsch zu diesem Entschluss.
Ich drücke Dir die Daumen und wünsche viel Erfolg!
Auch ich hatte einige Versuche um meine wahre Berufung zu finden! Es lohnt sich.

Die Erleberin hat gesagt…

@Gerd:
Danke für die guten Wünsche. Zumindest habe ich ein gutes Gefühl mit meiner Entscheidung, was bei Weitem nicht immer so ist. Es besteht also eine gewisse Hoffnung.