Mittwoch, 1. Oktober 2008

Beobachtungen beim Bahnfahren

Heute bin ich (noch aus Schonungsgründen) wieder nicht gelaufen. Dafür hatte ich einen "Auswärtstermin" und auf dem Weg dorthin mal wieder knapp 3 Stunden Gelegenheit, das Leben "in vollen Zügen" zu genießen.

Heute war die Reise insgesamt sehr angenehm, keine wirklich nervigen Mitfahrenden und auch die Waggons nicht so voll, dass allein das Einsteigemanöver Chancen hätte, beim "Wetten dass?" ins Programm aufgenommen zu werden. Dennoch plädiere ich für einen Ehrenplatz der Bahn als Förderin des Sports.

An keinem Ort werden wohl so viele Muskeln und Fähigkeiten gleichzeitig trainiert, noch ergänzt um eine Ausdauerkomponente wie Laufen müssten Bahnfahrer eigentlich olypiareif werden können. Der Mehrkampf beginnt mit der Disziplin "Ganzkörpergewichtheben von Gepäckstücken" (beim Einsteigen) und endet mit "Dehnen der äußeren Schienbeinmuskulatur" (das man nicht vermeiden kann, wenn man bei dem engen Sitzabstand mal anders als mit Beinen runter sitzen will).

Dazwischen gibt es noch das "Unmittelbar disziplinspezifische Anreizprogramm": Zu beobachten heute zwischen zwei Haltestellen und einem kurzen Gang aufs Örtchen meinerseits. Eine ältere, etwas beleibte Dame hatte es knapp zwei Stunden geschafft, den Sitz neben sich mit einer platzgreifend geparkten Handtasche frei zu halten. Als sie den Platz einmal kurz verließ, wies sie ihre gegenüber sitzende Freundin an, diese verantwortungsvolle Aufgabe zu übernehmen. Ein Fehler, denn schließlich sehen zwei Sitze mit einer Handtasche darauf subjektiv viel leerer aus als ein Sitz mit einer ausgebreiteten Handtasche neben einer korpulenten Frau. Folglich konnte die Freundin einen ebenso korpulenten Mann nicht davon abhalten, sich auf den ursprünglich der Tasche vorbehalteten Platz zu setzen. Die zweite Frau kehrt zum Platz zurück, kurzes, fast unmerkliches Entgleiten der Gesichtszüge, doch natürlich sagt sie nicht, was ihr auf der Zunge liegt (was liegt ihr eigentlich auf der Zunge), sondern bittet den Mann nur, sie kurz auf ihren Platz durchzulassen.

War auch dieses Prozedere schon nicht "gesagt - getan" (man stelle sich den in Zügenüblichen Abstand zwischen Sitz und Tisch vor und eine Dame, deren Umfang diesen vorwärts, rückwärts und seitwärts übersteigt), wurde es danach erst richtig komisch: Herr: "Räusper." (bewegt sich ein wenig, so dass sein halber Oberschenkel über ihrem zum liegen kommt.
Dame: "Laut räusper." (selbe Bewegung mit umgekehrten Rollen)
Herr: (sitz abtast.) Wahrscheinlich suchte er so einen Mechanismus wie in Reisebussen, mit denen man die Reihen seitlich auseinander ziehen kann. (plötzlicher Ruck, ab in die Liegeposition. Mit Mühe wieder aufgesetzt.
Dame: "Noch lauter räusper."
Herr: (bewegt Gesäß und Oberschenek ruckartig auf der Sitzfläche Richtung außen).
Dame: (Versteckt sich hinter Bahn-Kundenzeitschrift)
...
Das Ganze kam dann am nächsten Halt zum Ende, als er sich einen anderen Sitzplatz neben einem schlankeren Menschen suchte. Ob die Message angekommen ist?

Hinzu kommt dann noch eine Übung, die selbst mir als gestandener Sportlerin immer wieder Probleme bereitet: "Linksseitiges isotonisches Training der Halte- und tiefen, schrägen Bauchmuskulatur". Alle Frauen können die Übung nachvollziehen, indem sie eine Bahntoilette aufsuchen. Wer sich aus hygienischen Gründen dann mit einigem Abstand zur Brille hocken möchte, findet als Halt nur eine Stange, die sich in horizontaler Richtung unmittelbar auf Höhe der Knie befindet. Nun muss der Körper an diesem Sportgerät so ausbalanciert werden, dass er weder nach hinten überkippt noch seitlich zu viel Spiel hat. Ganz Geübte können durch eine entsprechende Stellung der Füße noch versuchen, ihre Stoffhose unterdessen vor einem Wischen des überschwemmten Bodens zu bewahren. Und bevor mir jemand einen Vorwurf bezüglich meiner Toiletten-Benutzungstechnik macht: Zumindest das Problem, dass die Haltestange zum Wiederaufrichten nicht richtig angebracht ist, dürfte man auch bei "korrekter Handlungsausführung" haben. In einer Welt, in der vom Handy bis zur Mülltüte alles auf Idiotensicherheit getestet wird, bleibt da eigentlich nur die Frage, weshaln Zugklos von dieser segensreichen Entwicklung bisher ausgeschlossen geblieben sind.

Vielleicht will die Bahn ja schon lange die Sportlichkeit ihrer Fahrgäste fördern und traut sich damit nur nicht an die Öffentlichkeit? Sportclubs sind ja an der Börse derzeit auch nicht so gefragt ;-)

4 Kommentare:

Jasmin... hat gesagt…

Und? Wie war Dein Termin ????

Gerd hat gesagt…

Andere Bezahlen für solche Schauspiele. Du bekommst sie von der Bahn für umme ;-)

Kerstin hat gesagt…

Schoen! Am besten fand ich "ab in die Liegeposition". Das muss ein herrliches Schauspiel gewesen sein ;-)

Die Erleberin hat gesagt…

@jassi:ok, aber noch kein ergebnis!
@diro:
ja, aber andere suchen sich aus, ob sie ins schauspiel gehen möchten ;-)

@kerstin:
ja, so geht's manchen menschen eben.

bin grad nicht @home. melde mich morgen mit bildern von meinem verlängerten wochenende (immer noch mit laufpause) zurück!