Sonntag, 14. Dezember 2008

Ein Lauf für Leib und Seele


Wenn es einen Preis für Spontaneität beim Laufen gäbe, in dieser Woche hätte ich ihn gewonnen. Erst der spätabendliche Ausflug im Schneeregen und gestern holterdipolter die Teilnahme am 50-Kilometer-Lauf "Gerorgsmarienhütter Null. Wobei sich das "Holterdipolter" auf die Tatsache bezieht, dass der Lauf in meinem mentalen Terminkalender für den heutigen Sonntag eingetragen war, und ich am Freitag nach einem nicht minder vollgepackten Arbeitstag quasi nur noch aus dem Reflex der Gewohnheit meine Siebensachen in die kleine Sporttasche schmeißen konnte, um schnell alles ins Auto zu werfen und dem erwartet freundlichen Empfang entgegen zu fahren.

Endlich angekommen, wurde ich erwartungsgemäß nicht enttäuscht. Das Team um Georg Rollfing gehört nämlich wirklich zum engagiertesten, was die deutsche Szene an Laufveranstaltern zu bieten hat. Entsprechend fühlt man sich in der Turnhalle, die regelmäßig als Basislager für die über 100 Verrückten herhalten muss, die sich zweimal im Jahr auf die schöne, hügelige Strecke um die Stadt Georgsmarienhütte machen, auch nicht wie auf einem Lauf, sondern wie im Kreis einer harmonischen Familie.

Doch so gut mir Nudeln, Apfel und Wasser (all das plus Cola und Bier vom Veranstalter zur Verfügung gestellt) auch ging, so sehr hatte die vergangene Woche an mir gezehrt, und ich legte mich früh in meinen Schlafsack, unbeirrt von der grellen Beleuchtung und dem gesprächigen Lärm der Halle. Dass die Nacht dann doch noch unruhig für mich wurde und der Morgen mit einer unschönen Überraschung begann, war allein den Halsschmerzen geschuldet, die sich unterdessen von der Kehle bis zum Gaumen in mir breit gemacht hatten. Zusammen mit dem Gefühl eines völlig zugeschwollenen Kopfes und der Aussicht auf feuchte Kälte hatte ich entsprechend keinen besonderen Mut, mich wirklich auf die Strecke zu begeben. Ich kann nicht wirklich sagen, ob es Glück oder Pech war. Jedenfalls fanden sich schnell ein paar Ultra-Bekannte, die mich mit Fisherman's friend peppelten und mich überredeten, mitzulaufen. Frei nach dem Motto: "Wer mitläuft, kann aufgeben, wer nicht mitläuft, hat schon aufgegeben."




Nicht schwer zu erraten, ging es mir auf der Runde dann aber nicht sonderlich gut. Entgegen meinen Gewohnheiten konnte ich die wenigen aber steilen Steigungen nicht mit Extra-Beschleunigung hinaufstürmen, sondern musste brav gehen und fand eigentlich nur an den Abhängen, die es dann wieder herunterging, mit hoher Geschwindigkeit mein wirkliches Element. Nur gut, dass dies kein Wettbewerb war und ich dazu mit Dieter vom 100 MC noch jemanden an meiner Seite hatte, mit dem es sich sehr gut unterhalten lässt. So liefen wir durch die von tiefstehender Sonne beglänzte Landschaft, zwischen beeisten Bäumen hindurch und verbrachten schließlich mehrere Stunden spazierend und gelegentlich antrabend unter dem Hochnebel. Manchmal dachte ich dabei an den Advent und wie schön es ist, dem vorweihnachtlichen Trubel in der Form einer so schön gewohnten Freizeitbeschäftigung zu umgehen. Und so erschloss sich tatsächlich (einmal wieder) der tiefere Sinn des Mottos der Veranstaltung "Zeit, die wir uns für die Null nehmen, ist Zeit, die uns etwas gibt". Für mich ein schönes Lauf-Motto und der beste Beweis, dass hier etwas von Läufern für Läufer gestaltet wird, und nicht vom Kommerz für Leute, die meinen, sich aus unerfindlichen Gründen Läufer nennen zu müssen.

Es ist seltsam, aber das richtige Lauf-Gefühl kam bei mir erst nach 45 Kilometern auf. Dieter, der mich die ganze Zeit ermutigt hatte, weiter zu machen und geduldig mit mir gegangen war, reagierte nun seinerseits stirnrunzelnd auf meine sanfte Aufforderung, wieder anzutraben. Ihn dazu zu bringen, fiel um so schwerer, da es auf der "Null" keine offiziellen genauen Kilometerangaben gibt; und der Spruch "wir sind gleich da" erübrigt sich selbstredend bei einem erfahrenen Ultra-Marathoni, so dass es wirklich nur darauf ankam, unser jeweiliges Befinden gegenseitig richtig einzuschätzen und den Tatsachen ins Augen zu sehen.

Wie schön, dass es mit dem Ziel auch immer Dinge gibt, über die sich aller Augen gleichermaßen freuen. Um meinen Hungerast zu beenden, bediente ich mich sofort nach Ankunft in der Turnhalle sofort an einem Brot mit Käse, genoss dann die leider nur laue Dusche, bevor ich mich richtig übers Büffet hermachte, derweil noch Laufpläne für das nächste Jahr mit den Umsitzenden austauschend.

Alles in allem ein schönes Erlebnis, ein Lauf, der Leib (selbstredend) und Seele (durch die mit Herzblut gemachte Organisation) anprach, und dessen schönster Aspekt dennoch der bleibt, dass jetzt das Laufjahr würdig abgeschlossen ist. Auf dass es Weihnachten werde!

7 Kommentare:

Gerd hat gesagt…

Holterdiepolter an einem 50km-Lauf teilnehmen. Das ist ein Wort.
Da muss man schon aus einem besonderen Holz geschnitzt sein. ;-)
Am allerbesten finde ich aber den Sprucg: "Wer mitläuft, kann aufgeben, wer nicht mitläuft, hat schon aufgegeben."
Das ist mal was, was ich mir über meinen Schreibtisch hänge.
Hut ab vor deinen Leistungen!

Anonym hat gesagt…

puuuh, ich kann mich nur immer wieder wundern, was manche leisten, selbst wenn sie definitiv "angeschlagen" sind...

Man läuft halt doch zu einem Großteil irgendwo(irgendwie?) im Kopf!

Glückwunsch

Die Erleberin hat gesagt…

@ihr zwei:
Danke für die Komplimente. Allerdings muss ich dazu sagen, dass ich die 50K immer noch in den Knochen spüre. Habe mal wieder bewiesen, dass Heldentum und Übermut sehr nah beieinander liegen. *ascheaufmeinhaupt*

Cecile hat gesagt…

Und noch einen 50 km rangehängt. Du bist unglaubig! Noch vor 2 Wochen rumgejammert, dass es kein Spaß mehr macht und dann schnell mal einen 50 km gezaubert! Gratuliere für die Leistung! Mir waren 42 km echt schon genug! Pflege dich aber jetzt gut, nicht dass du krank über die Feiertage wirst!! Habe dich lieb!

"Wer mitläuft, kann aufgeben, wer nicht mitläuft, hat schon aufgegeben."
Das habe ich mir auch am Sonntag gesagt, als ich mein 2. kleines Frühstück in der Halle annahm und mich dann zum Start begab...

Das Schönste ist jetzt, finde ich auch das Ende eines erfüllten Jahres ungeniert zu geniessen. Ich freue mich auf die Plätzchen, Praline, Ente... Freunden, Partys!
hihi :)

LocalZero hat gesagt…

Ach ja, die "Null" muss ich auch mal irgendwann laufen, das klingt wirklich gut...

Schade nur, dass Du leicht angeschlagen dort an den Start gehen musstest. Da werden die Kilometer dann doch noch einmal länger, oder?

Anonym hat gesagt…

Laufen tut der Seele immer gut! Na gut, fast immer! ;)

Liebe Erleberin,

ich wünsche Dir ein schönes Weihnachtsfest - genieße, die hoffentlich ruhige Zeit! :)

Alles Gute!

Liebe Grüße

Marcus

Anett hat gesagt…

Oh mein Gott....einfach so mal 50km und noch dazu mit Halsschmerzen. Ich geh mich mal lieber verstecken und schämen, bei mir läuft zur Zeit gaaaaaaaaar nix. *schäm*

Frohes Fest und Guten Rutsch wünsch ich....hoffentlich sind die Halsschmerzen weg.