Montag, 29. September 2008

Lest ihr eigentlich...

...Laufzeitschriften?

Heute hatte ich beim Mittagessen mal die Muße, in einer auf der Marathon-Messe mitgenommene Ausgabe der Runner's World hineinzuschnuppern. Mehr als das tue ich eigentlich nie, das dafür aber regelmäßig auf Bahnhöfen, wenn's beim Stadtbummel eben mal der Zufall will oder das Ding bei irgendwem rumliegt.

Gekauft aber habe ich mir in meinem Leben vielleicht 2-3 Ausgaben vermutlich verschiedener Laufzeitschriften. Der Grund: Dort wird viel alter Wein in neuen Schläuchen verkauft. Rezept: Man nehme eine Überschrift mit Appellcharakter, mische sie mit einer rhetorischen Frage und einer Expertenmeinung aus einer neuen (aber völlig unbedeutenden oder an den Haaren herbeigezogenen) Studie und fertig ist der Lauf-Artikel.

Beispiel Ernährung: "Essen Sie genug Eiweiß?" wird da gefragt. Die sich-erwischt-fühlende Antwort ist natürlich erstmal "bin mir nicht sicher", und da man im nächsten Schritt aufgrund "neuester Erkenntnisse" seines Neins immer sicherer wird, landet das Magazin mit dem angelesenen Beitrag im Einkaufswagen. Ein ganzer Artikel wird aus der Story jedoch erst durch reichlich viele Tricks: ein paar ältere (und noch mehr an den Haaren herbeigezogene) Studien hier, ein reich bebilderter Ernährungplan für den wirklich richtig ultimativen Kick dort. Macht also zweieinhalb Seiten für eine Kerninformation von vielleicht einer halben...

Und dann werd' ich ja das Gefühl nicht los, dass sich die Magazine ihre Leserbriefe selbst schreiben. Oder wieso gibt es in den Ratgeber-Rubriken alle 3-4 Monate dieselben Fragen nach "Laufen und Gewichtsabnahme", "Laufen und Achillessehne" oder "Laufen während der Tage"?

Schließlich die Trainingspläne: Ab 3:30 abwärts gab's bis vor Kurzem gar nichts (jetzt bei RW im Internet bis 2:59). Spricht auch nicht grad dafür, dass die Leserschaft wirklich solch jung-dynamische (und fitte) Jungspunde sind, wie sie sich meist auf dem Titel finden.

Die Krönung sind aber Rezepte und Ernährungsempfehlungen, die niemals in einen normalen Arbeitstag, geschweige denn in eine kleine Küche oder ein bescheidenes Bu´dget passen: 2 Blättchen Rucola hier, eine halbe Schale Feldsalat dort, Walnussöl, Knäckbrot mit Quinoa und was dergleichen Exotik mehr ist.

Meine Meinung: Nichts als Geldschneiderei! Laufen ist ein einfacher Sport, und meine Bilanz vor Trainingsbeginn lautete:

- ein halber (gelangweilter) Blick in die Runner's World
- keinerlei "Seminare"
- keine "Tipps" aus speziellen Laufgeschäften
- Baumwollshirts und Trainingshose
- Laufschuhe aus der Zeit, als man mit NikeAir in der Schule cool war
- keine Ahnung von Bestzeiten und Schallgrenzen
- und trotzdem mit Spaß und Erfolg dabei!

Wunder gibt es immer wieder...

9 Kommentare:

Kerstin hat gesagt…

Ich finde die Runners World auch ein bisschen flach bzw. doch zu sehr auf Anfaenger zugeschnitten. Scheint ja die deutsche Ausgabe nicht anders zu sein.
Hier gibt es noch die Running Times, die ist schon etwas interessanter und mehr auf leistungsmaessiges Laufen zugeschnitten.

Ich laufe ja erst seit 2 1/2 Jahren, da hab ich natuerlich gleich mit dem ganzen neumodischen Kram angefangen. Und hab trotzdem Erfolg ;-)

Anonym hat gesagt…

Als ehemaliger Abonnent der RW kann ich Dir sagen, dass sich der ganze Sch*** in reglemäßigen Abständen wiederholt (und sich dann zum Teil völlig widerspricht). Für einen übergewichtigen und orthopädisch fehlgestellten unambitionierten Laufanfänger sind die ersten drei Ausgaben vielleicht ganz hilfreich. Danach ist es eigentlich nur noch schade ums Geld.

Anonym hat gesagt…

Hi,
muss dir uneingeschränkt zustimmen in deiner kurzen, aber zutreffenden Analyse.

Darüberhinaus fehlt es vielen Laufzeitschriften an Aktualität bei ihren Laufberichten, da die Läufe/Ergebnisse Wochen zurückliegen. Wie schön, als geneigter Leser deines intelligenten Blogs, einen aktuellen Berlin-Marathon-Bericht fast von der Strecke zu bekommen. (Mal am Rande: deinem „Mitläufer“ hätte ich nach der ich-überhole-kurz-vor-dem-Ziel-nochmal-eben-Aktion eine kleine Lektion in Sachen Läufer-Etiquette gegeben. 3.58 h hin oder her.)

Zurück, die Produkttests in den Magazinen sind oft auch nichtssagend.

Ungewöhnlich, dass du als junge Läuferin so „oldschool“ (als Kompliment gemeint) denkst – alle Achtung.

Ein Großteil von sogenannten „Läufern(innen)“ beschränkt sich auf den Erwerb immer neuen Equipments (Forerunner, Garmin, Laufbücher, Trainingspläne, Diatpläne, …), um anschließend mit Müh und Not auf den Monat gerechnet 3mal 2km am Stück zu laufen, in großen Worten (Intervalltraining, Maximalpuls, … ) zu schwelgen und dann wegen diverser Wehwehchen das Laufen kurze Zeit später wieder an den Nagel zu hängen. Was aber bleibt von selbigen Laufexperten sind schlaue Blog-Kommentare, Weisheiten und Sprüche.

Meine Erfahrung ist, dass je schlechter der Läufer/die Läuferin, desto mehr Tamtam wird ums Laufen gemacht. Der Ursprung - „DAS LAUFEN“ - gerät dabei völlig in Vergessenheit.

Respekt vor jedem Läufer/jeder Läuferin, der/die nicht nur schlau redet, sondern auch, wie in deinem Fall, Taten folgen lässt.

Ist aber wohl ein Gesellschaftsproblem. Jeder muss eben heutzutage in seinem Leben auch Marathon gelaufen sein, und wenn auch in 7h. Man will ja dabei sein.

Freue mich weiterhin auf so manchen (kritisch) analytischen Blick in deinem Blog.

Die Erleberin hat gesagt…

@Kerstin:
Und ich habe immer noch den Eindruck, dass die RW in Amerika etwas besser ist als bei uns. Jedenfalls ist das meine Erinnerung an die High School Zeit - und auch die Webseite ist etwas informativer als hierzulande.

@Uli:
Du bringst die wahre Zielgruppe bündig auf den Punkt, denke ich. Gut, dass ich mir das Geld bisher gespart habe.

@Alex:
Die kenne ich ja noch gar nicht. Freut mich, dass dir meine Beiträge gefallen. Und ja: ich sehe einiges anders als "die Läufer" und auch als "meine Generation". Die meisten Schlüsse ziehe ich dabei aus der aktiven Beobachtung. So stand ich z.B. a m Start meines 1. Ultras (Röntgen-Supermarathon), und um mich herum hatten vor allem die "erfahreneren" alle Schmerzmittel im Trinkgurt, namen Eigenverpflegung mit, etc. Ich lief einfach so vor mich hin. Und bei Volksläufen kann man die Letzten ja immer schon am neuesten Schick bei der Kleidung erkennen ;-)

Thema "läuferische Lektion": Ich war lange als Übungsleiterin tätig und bin da immer nach dem Prinzip verfahren, dass die Etikette mit der Leistung wachsen muss. Wenn mal ein Anfänger mit Glück eine kühne Aktion in letzter Sekunde nach Hause bringt, soll er sich ruhig uneingeschränkt freuen. Hauptsache er legt die schlechte Gewohnheit auf dem Weg nach oben ab...

Anonym hat gesagt…

Vor einiger Zeit habe ich mir ein Heft für die Reise im Zug gekauft, konnte feststellen, wie Uli bereits sagt, dass im Grunde nichts Neues geschrieben wird, wie soll auch, wenn ein solches Heft monatlich erscheinen muss, dann werden immer wieder olle Karamellen aufgewärmt, ein wenig anders verpackt, und schon freut sich der Leser über vermeintlich Neues.

Allerdings kann ich sehr wohl nach vollziehen, dass Anfänger in solchen Heften nach neuen Ideen, Rezepten, Tests, Plänen Ausschau halten und sich so regelmässig informieren lassen. Das habe ich früher auch getan, jetzt - als alter Hase - brauche ich keine Tipps und Ratschläge mehr, habe meinen eigenen Weg gefunden.

@ Alex

Was ist in deinen Augen ein schlechter Läufer und was ist ein guter ?

Kerstin hat gesagt…

"Ein Großteil von sogenannten „Läufern(innen)“ beschränkt sich auf den Erwerb immer neuen Equipments (Forerunner, Garmin, Laufbücher, Trainingspläne, Diatpläne, …), um anschließend mit Müh und Not auf den Monat gerechnet 3mal 2km am Stück zu laufen, in großen Worten (Intervalltraining, Maximalpuls, … ) zu schwelgen und dann wegen diverser Wehwehchen das Laufen kurze Zeit später wieder an den Nagel zu hängen."

Jetzt muss ich aber doch mal prostestieren! Ich habe den neuesten Forerunner 405, befolge meinen Trainings- und Diaetplan, laufe mit Pulsmesser, mache "Lactate Threshold Training", nutze Sportgetraenke und Gels und laufe aber ganz sicher mehr als 3x2km im Monat. Kleine Wehwehchen (z.B. Shin Splints) halten mich ganz sicher nicht vom Laufen ab und dieses Jahr in Boston bin ich meinen dritten Marathon in 3:20 gelaufen. Das ist natuerlich noch keine Spitzenzeit, aber doch mehr als 1,5 Stunden ueber dem Durchschnitt.

Ich finde nicht, dass man alles einfach so ueber einen Kamm scheren sollte. Warum soll man Technik und Wissenschaft nicht zu seinem Vorteil nutzen, wenn es dabei hilft ein besserer (schnellerer) Laeufer zu werden?

Bei einem Rennen Getraenke mitzuschleppen halte ich allerdings auch fuer kontraprodutkiv, da es normalerweise doch eigentlich genug Versorgungsstellen gibt.

Die Erleberin hat gesagt…

@Kerstin:
Ruhig Blut: Ausnahmen bestätigen ja bekanntlich die Regel!!!

Anonym hat gesagt…

@Kerstin:
Ich habe mich in meiner bewußt (leicht provokativen) Schelte an jene Menschen gewand, die leeren Worten keine (angemessenen) Taten folgen lassen. Mein Respekt gilt allen, die tatsächlich trainieren, schwitzen, sich quälen, anstrengen, .... Wenn dabei modernes Equipment genutzt wird, nur zu! Bei manchem Laufeinsteiger bekommt man allerdings das Gefühl, dass reines Laufen ohne Garmin, ohne Pulsgurt, ohne neuestem MP3-Player, .. nicht möglich sei. Hier soll meine Kritik ansetzen. Kenne genug 2:35 - 2:50 h Marathonläufer, die für ihr Leistungsvermögen nur ordentliche Schuhe, viel Training, viel Laufleidenschaft und ein bisschen Verstand benötigen.
Zu dir: absoluter Respekt vor deinem Einsatz und deinem Willen.

@ultraistgut:
Ich maße mir nicht an, Werturteile zu läuferischem Leistungsvermögen abzugeben. Jeder nach seinem Vermögen, seiner Lust, seinem Zeiteinsatz,...
Wie überall in dieser Welt, gibt es allerdings Blender, die ich nicht schätze. Solche, die aus einer Mücke einen Elefanten machen, schlicht geschwätzige Menschen: die bspw. zehnmal bloggen, dass sie dann und dann einen 5km-Lauf machen, um am Ende aus fadenscheinigen Gründen nicht anzutreten. Und nicht nur einmal.

@ die erleberin:
gebe dir recht, manchmal muss auch Milde walten. Aber man kann ja Unbedarften auch ganz lieb Tips aus der vielfältigen Läuferwelt geben. Bei einer Olympiade wäre übersprinten im "Zielkanal" ja auch durchaus legitim. ;=)
Freue mich auf weitere läuferische Beobachtungen in deinem Blog.

Anonym hat gesagt…

Also ich lese keine Laufzeitschriften. Wozu auch? Ich habe genug Erfahrung bezüglich Laufen, was könnte da Neues drin stehen?

Für meinen Stil erübrigt sich das eh.