Von der Motivation wussten wir es schon immer, vom Lernen haben wir's geahnt. Dass es auch für den in sozialen und zwischenmenschlichen Dingen so häufig gebrauchten Vorgang des Überzeugens gilt, überrascht keineswegs.
Dennoch enttäuscht es ein bissche, dass sowohl Wissenschaftler als auch Praktiker unseres sozialen und politischen Lebens zu dieser Überzeugung gelangen: Man kann nicht überzeugen! Gekommen ist das Gespräch auf dieses Thema mit einer Kollegin auf dem Weg zum gemeinsamen Mittagessen. Während sie mir also im Brustton der eigenen Meinung von einem Seminar berichtet, auf dem sie genau dies erfahren hatte, hielt ich noch einige Erzählzüge dagegen: Schließlich gäbe es ja schon so etwas wie eine Logik der Dinge, über die eventuell Uneinigkeit bestünde. Zumindest im Falle purer unschuldiger Uninformiertheit müsse "überzeugen" also funktionieren.
Schließlich gab ich auf mit dem Gefühl, in diesem Wortduell nicht nur verbal, sondern damit zugleich auch in der Sache eindeutig unterlegen zu sein. Und dann fällt mir auch noch ein Mann vom Fach (oder eigentlich fallen gleich drei) in den Rücken. Das Argument (wenn man es noch so nennen darf) von Scharpf u.a. (1977) geht wie folgt:
Es gibt bei Uneinigkeit drei Strategien: Information, Überzeugung sowie Durchsetzung (für uns nicht relevant). Während die Informationsstrategie auf dem von mir oben angeführten Argument der bis zum Zeitpunkt ihres Einsatzes unvollständigen Informiertheit der Gegenseite beruht, schickt sich die Überzeugungsstrategie an, die Bewertung der gegebenen Informationen durch die Gegenseite zu verändern. Zwar kommt dies dem "Überzeugen" im alltäglich gebrauchten Sinne nahe; jedoch machen die Experten zwei wichtige Einschränkungen:
1) Überzeugungs- und Informationsstrategien lassen sich nicht sauber von einander trennen. Dies kann wird deutlich, wenn man sich bewusst macht, dass "Information" sich nicht nur auf den zu lösenden Sachverhalt bezieht, sondern auch auf die Lösungsoptionen und -wege. "Die Schwierigkeit der Abgrenzung reflektiert die praktische Interdependenz kognitiver und normativer Bewusstseinsinhalte." (ebd. S.48)
2) Überzeugungsstrategien funktionieren nur dann, "wenn sie an Wertprämissen appellieren können, die der Adressat selbst bereits akzeptiert hat" (ebd.) Im Klartext: Wenn der Adressat bereits überzeugt ist!
Auch wenn ich noch einige Fragen zum Text hätte, beispielsweise ob das Wort "kurzfristig" im Zusammenhang mit wirksam sein sich auf das Prädikat des Satzes bezieht oder auf den ganzen Satz (Bedeutungsunterschied: entweder Betonung auf kurzfristig oder Gegenüberstellung mit längerfristig) und was genau die Bedeutung von "normativ" vor Überzeugungsstrategie ist (wäre eine kognitive Ü. nicht eine Informationsstragie?), gebe ich mich jetzt vorerst geschlagen.
Pech für die Gegenseite nur: Sie haben mich überzeugt!
Literatur: Scharpf, F.W. u.a. (1977): Politikverflechtung: Theorie und Empirie des kooperativen Föderalismus in der Bundesrepublik. Kronberg/Ts. [Ergebnisse der Sozialwissenschaften; 1]
Montag, 4. August 2008
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