In meinem Leben geht es derzeit ganz schön rund, und das glücklicherweise nicht nur im übertragenen Sinne. So ging es gestern im Laufschritt "rund um" meine Stadt, eine willkommene Gelegenheit, mal wieder eine Strecke zurück zu legen, die das Attribut "länger" auch wirklich verdient (nämlich 35 Kilometer), und dabei einige Bekanntschaften aufzufrischen. Ehrlich gesagt, war ich vor diesem Unterfangen nicht sonderlich optimistisch, und selbst als ich an diesem Sonntagmorgen um halb 8 vom Wecker aus meinen Träumen gerissen wurde, hatte ich noch ernsthafte Zweifel: Sollte ich mir das wirklich antun? Und würde es auch gut gehen? Dazu muss ich sagen, dass ich mich vielleicht halbwegs vom schlimmsten Teil meines Infekts erholt habe, aber "in Form" kann man meinen momentanen Zustand nun wirklich nicht nennen. Das einzige Argument, das schließlich doch überzeugte, war eine E-Mail von meinem langjährigen Laufbekannten Uwe. Er hatte mich vor ein paar Wochen per E-Mail auf die diesjährige Edition dieser Veranstaltung aufmerksam gemacht, auf die ich ihn vor 3 Jahren zum ersten Mal mitgeschleppt hatte. Und nach meiner Zusage in vorauseilendem Gehorsam wollte ich wirklich keinen Rückzieher machen.
Natürlich kam es, wie es kommen musste. Aufgrund meines nach Möglichkeit immer noch studentisch-spätestmöglichen Aufstehens schaffte ich es nicht einmal mehr, mir vor dem Lauf eine Banane 'reinzuschieben; Kaffee war dank allgemeiner Desorganisation sowieso aus, so dass ich schließlich mit nüchternem Magen auf die Strecke gehen musste. Hatte ich erwähnt, dass dies in gewisser Weise auch für mein Auto galt? Ich war also bereits mit nervöser Unruhe und ständigem Blick auf die Tankanzeige des Wagens möglichst spritsparend zum Start gerollt. Dann bereits auf dem ersten Kilometer am nebelüberhangenen See entlang das erwartete Erwachen: "Es" läuft irgendwie nicht. Was tun? Ich unterhalte mich mit Uwe, werde von einer anderen Bekannten aus dem Lauftreff angesprochen und frotzele allgemein vor mich hin, diesen Streckenabschnitt kaum zu erinnern. Schließlich liefen wir den immer "vor dem Wachwerden". Doch die Strecke zieht sich und zieht sich. Bei 16 Kilometern ein längerer Stopp. Den hatte ich auch "früher" beziehungsweise "bequemer erreichbar" in Erinnerung. Der Wind weht trotz der Rast innerorts unangenehm, nicht zuletzt, weil ich völlig durchgeschwitzt bin. Wir lesen ein paar "Einsteiger" auf und ich frühstücke anderthalb Becher Cola, die mir auch nicht dabei helfen werden, besser in Tritt zu kommen.
Schon geht die Quälerei weiter. Wir laufen über triste Brücken und zwischen trüb-braunen Korn- und Rübenfeldern durch. Die Unterhaltung wendet sich heldenhaft zur Saionplanung für das nächste Jahr. Mir ist eigentlich nicht ganz wohl in meinem Körper, dennoch mache ich tapfer mit, denke wohl, wenn ich mich furchtlos zeige und den Bestzeiten den Kampf ansage, entschwindet das körperlich-mentale Tief dorthin, wo es herkam. Aber wo genau kommt es her? Unterdessen sind wir bei 3:15 Stunden zum Hamburg-Marathon und an dem See, um den herum ich meist meine morgendliche Runde drehe. Alles ist immer noch eingehüllt in den Nebel, vom dem ich den Eindruck habe, er klebe an meiner Haut. Dabei bräuchte ich ihn dringend zur Abschirmung von Außeneinflüssen. Denn es gibt ja bei Gruppenläufen immer Leute, die meinen, andere könnten nicht für sich selbst sorgen; mit ihrem ständigen "Achtuuuung, Pfosteeeen!" oder "Pfützeee" erschrecken sie mich jedesmal zu Tode und machen nicht nur meinen Laufrhythmus, sondern vor allem auch die so geschätzte geistige Ruhe kaputt.
Irgendwann an einer hässlichen Straßenbahn-Wendeschleife haben wir den 22ten Kilometer überwunden. Ich versuche noch einmal, mir einzureden, ab jetzt ginge es nur noch "bergab", doch was bei Anfängern beim Berlin-Marathon hilft, vermag mir in meinem jämmerlichen Zustand inklusive Kenntnis der restlichen Strecke nicht zur moralischen Unterstützung zu gereichen. Jetzt ist nichts mehr schön. Mir geht's dreckig, und die einzigen Argumente, die mich zum Weiterlaufen animieren, sind meine Wechselklamotten und mein Auto. Beide stehen nämlich am Zielpunkt, und schneller als mit dem Trupp komme ich dort auch anders nicht hin.
Also noch ein bisschen weiter. Längs des Parks, in dem ich früher von meiner anderen Wohnung aus immer gelaufen bin, durch Schrebergarten- und richtige Siedlungen, längs Weiden, Feldern und dem Golfplatz bis schließlich nur noch der neuralgische Straßentunnel und das Schloss vor uns liegen. Doch selbst auf diesen allerletzten Kilometern spüre ich nichts außer unendlicher Schlappheit. Angekommen, setze ich mich kurz auf den Beifahrersitz des Autos. Keine Freude, keine Genugtuung. Dann heiße Dusche, die gut tut und gemütliches Beisammensein, an das ich bisher gar keinen Gedanken verschwendet hatte und das mich jetzt so unheimlich freut - nicht nur wegen des guten, läufergerechten Essens.
Dennoch gehe ich pünktlich, bin zuhause noch ein wenig "geistig produktiv" und beschftige mich im Hinterkopf immer wieder mit dieser einen Frage: Wann bin ich endlich wieder fit?
Heute dann erster Arbeitstag nach dem Urlaub. Da ich mir das Laufen (aus Vernunft!) schenke, fällt das Aufstehen nicht so schwer; um so mehr aber das Einfügen in eine Arbeitsweise, die eben nicht völlig und einzig durch das bestimmt ist, was ich denke und für richtig halte. Doch so ist nunmal das Leben, auch mittelmäßige Arbeitstage gehen vorbei - und zeitigen mitunter trotzdem Ergebnisse. Viel schlimmer war, dass mir die Gangschaltung (Nabe) meines Rades am Freitag endgültig einen Vogel gezeigt hatte und ich so nur noch im ersten Gang unterwegs sein konnte, und da dies genau so langsam wie zu Fuß ist, nur anstrengender und dass das wilde Gestrampel schräge Blicke auf sich zieht, war ich einige Tage zu Fuß unterwegs. Bis, ja bis ich heute einen Ort in dieser Stadt entdeckte, den ich vielleicht schonmal vorher hätte aufsuchen sollen: die Fahrrad-Selbsthilfewerkstatt. Dort bekam ich nicht nur meine Gangschaltung und die ewig heraus springende (weil zu locker sitzende) Kette in den Griff; mir wurde auch einmal mehr bewusst, dass "Technik" nicht zwangsläufig schwierig bis unverstehbar sein muss. Außerdem dauerte es nur 20 Minuten. Geld gespart, was Neues gelernt, Selbstvertrauen gewonnen. So darf jeder Tag aufhören!
Montag, 3. November 2008
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5 Kommentare:
Dein Lauf hört sich ja nach Freude pur an. Du warst ja echt schlecht drauf. Und dann noch 35km mit Freunden.
Sind es noch deine Freunde? ;-)
Aber manchmal hat man solche Tage. Die gehn auch wieder.
Ich wünsche Dir auf jeden Fall viele schöne Läufe!
Toll finde ich aber das Du trotzdem durchgelaufen bist. ;-)
@Diro:
Der Lauf war wirklich schlecht, ja. Aber meine Freunde sind's trotzdem noch. Ich neige nicht dazu, meine schlechte Laune an anderen auszulassen. Es sei denn, man wertet meine fehlende Gesprächsbereitschaft so ;-(
Mir scheint, der Wurm ist drin, heftig und gründlich und lässt dir keine Ruhe.
Dass du dich dennoch die Strecke gequält hast !
Auf der einen Seite würde ich sagen: Gut gemacht, man muss sich auch mal quälen, auf der anderen aber weiß ich nicht, ob du dir damit körperlich und auch seelisch einen Gefallen getan hast, zumal du dich lt. deinen eigenen Worten vielleicht halbwegs vom schlimmsten Teil deines Infektes erholt hast, und diese Tortur sich wohl kaum auf deinen derzeitigen gesundheitlichen Zustand positiv auswirken wird.
Vielleicht aber bist du einfach nur ungeduldig, lass deinem Körper Zeit, der kommt wieder, um dann wieder frisch und gesund ans Werk gegen zu können.
Ich halte dir alle Daumen, fühle mit dir !
Ich drücke Dir ebenfalls die Daumen, daß Du bald wieder Deine normale "Kampfstärke" erreichst. Ich hoffe, daß dieser Lauf nicht kontraproduktiv diesbezüglich war!
Respekt dafür, daß Du die Strecke doch absolviert hast. Ohne wirklich guten Grund hätte ich das nicht in dem Maße durchgezogen.
Alles Gute!
Du hast dies Jahr schon so viel geschaffen. Lass dein Körper wieder fit werden, dann kommt auch der Spaß am Laufen wieder. Versuch in der Zwischenzeit andere Sportarten vielleicht: Rad/Schwimmen oder nur Laufeinheiten ohne Stress. Ich denke an dich!
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